Gedankensplitter 11/2016

Bei den Landtagswahlen in Baden-Württemberg 1992 zogen die Republikaner inmitten einer Asylkrise schon einmal mit über 10 Prozent in den Landtag ein. Am heutigen Wahlabend zeichnet sich ab, dass die Ergebnisse für die heutigen Republikaner, die AfD, noch besser sind. Daher drehen sich alle Gedankensplitter für diese Woche um diese Landtagswahlen.

Absehbar: Seit Wochen ist es absehbar, die ambivalenten Positionen der etablierten Parteien in der Flüchtlingskrise können einen nennenswerten Teil der Bevölkerung nicht überzeugen. Die Konfliktlinien laufen nicht klassisch zwischen Opposition und Regierung, sondern innerhalb der Regierung und vor allem innerhalb der Regierungsparteien (z.B. zwischen und in den Unionsparteien). Die Scheindebatten über Integrationspflicht oder Obergrenzen, die allenfalls kosmetischer Natur sein können, aber keine nachhaltigen Lösungen anbieten, sind für viele unbefriedigend. Das war absehbar, aber die Parteien sahen dies nicht als Anreiz, klare interne Positionen zu formulieren. Vielleicht bietet dieser Wahlabend den Anreiz genau dies zu tun.

Feuer und Feuer: Feuer ist nicht mit Feuer zu bekämpfen. Verzweifelt haben Julia Klöckner und Guido Wolf kurz vor den Landtagswahlen sich mit populistischen Parolen von der Bundeskanzlerin abzusetzen. Das Ergebnis ist desaströs. Weder hat man es mit populistischen Parolen geschafft, den Populisten Paroli zu bieten, noch hat man es geschafft, Mitte-Wähler zu binden. Die unverhohlene Doppelstrategie ist gescheitert. Es ist daher zu hoffen, dass der Wahlabend den Parteien deutlich macht: Seid einig (vor allem bei der Union nötig) und seid klar (vor allem bei der SPD nötig).

Demokratiegewinn: Die beeindruckendste Entwicklung des Wahlabends ist die Wahlbeteiligung. Sie ist deutlich angestiegen. Nicht nur die AfD hat massenhaft Nichtwähler mobilisiert. Die Polarisierung hat auch bei den jeweiligen demokratischen Spitzenreitern (zumindest in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz) für Nichtwählermobilisierung gesorgt. Die Poralisierung hat zudem dazu geführt, dass dem Wähler eine Alternative zwischen solidarisch-gemäßigter Flüchtlingspolitik (Dreyer, Kretschmann und in sehr eingeschränktem Maße und als einziger Ministerpräsident mit Minus-Werten Haselhoff) und der populistischer-radikal agierenden AfD bleibt. Andere gemäßigte Kräfte (vor allem die SPD in Baden-Württemberg und Sachsen Anhalt und die Grünen in Rheinland Pfalz ) wurden marginalisiert. Diese Poralisierung hat die Wahlbeteiligung gestärkt. Auf Dauer ist eine Spaltung zwischen Sach- und Populismuspolitik jedoch fatal: Es muss eine Polarisierung im demokratischen Lager geben (und dazu folgt der letzte Gedankensplitter).

Polarisieren: Der Rechtspopulismus lebt von dem Vorwurf eines Einheitsbreis. Der „entdämonisierte“ Front National ist erst mit der Parole UMPS (eine Mischung aus der einstigen größten konservativen Partei Frankreichs, UMP, und der sozialistischen Partei, PS, die suggerieren soll, dass es sich um dasselbe handele) richtig groß geworden. Und das ist in einem Land geschehen, dessen politische System große Koalitionen de facto ausschließt. In Deutschland regiert im Bund bereits eine große Koalition, nach den ersten Wahlergebnissen sieht dies auch in den Ländern danach aus. Das wäre ein Fehler: Es sollte, wo geht nach den kleinstmöglichen Koalitionen unter den Wahlsiegern gesucht werden. Denn große Koalitionen marginalisieren (wenn auch in immer geringerem Maße) die Opposition und nähren damit die Unzufriedenheit.

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