Gedankensplitter 10/2016

Die AfD in der Debatte stellen: SPD und Grüne wurden in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg viel dafür gescholten, nicht mit der AfD debattieren zu wollen. Undemokratisch sei das. Zwar hat man es viele Jahrzehnte so mit rechtspopulistischen Parteien wie der NPD und der DVU gehalten, nun sollte es anders sein. Warum die frühere Weigerung aller demokratischer Parteien richtig war, zeigen die Debatten: Die AfD gibt sich auf dem Podium gemäßigt, während sie gleichzeitig Behauptungen von Wahlbetrug aufstellt, sich selbst aber auch undurchsichtigem Wege Unterstützung sichert. Auf diese Weise haben CDU-Vertreter wie Julia Klöckner der AfD eine erfolgreiche Bühne geboten.

Populismus wirkt nicht gegen Populisten: Eine zentrale Erkenntnis für die CDU sollte sein, dass Populismus nicht gegen Populismus hilft. Julia Klöckners (und auch Guido Wolfs) Versuche die AfD in populistischem Getöne gegen Flüchtlinge zu überholen, verhindern nicht den Aufwärtstrend der Partei in Umfragen. Der Grund ist simpel: Wenn man wie Julia Klöckner im Herbst darauf verweist wie menschenfeindlich Obergrenzen sind, nur um im Februar eben solche zu fordern, dann ist das nicht glaubwürdig. Es wäre besser gewesen, sie hätte den Wahlkampf dafür genutzt, um ein wirklich konservatives und vor allem im christlichen Menschenbild der Union verankertes Flüchtlingskonzept entwickelt. Mit ihrem unrealistischen Plan A2 hat sie ihre Glaubwürdigkeit stark beschädigt und Zweifel an ihrer Fähigkeit, ein Bundesland zu regieren, gesäht.

Schlecht verkaufte Konsistenz: Aufgrund der populistischen Strömungen ist eine sachliche Debatte allerdings auch sehr schwierig. Bereits im vergangenen Herbst geriet Sigmar Gabriel mit einer ZDF Journalistin aneinander, mit der er über die Pläne der SPD für ein Bildungsprojekt sprechen wollte, das sowohl Flüchtlingen als auch sozial Schwächeren Bürgern zugute kommt. Frau Schausten fokussierte die Debatte aber einzig und allein auf eine (nicht geforderte) Obergrenze. Klar ist: Schon damals debattierte die SPD ein Flüchtlingskonzept, das das Thema nicht isoliert, sondern im gesamtgesellschaftlichen Kontext betrachtete. Ob all des Populismus wird vergessen, dass Parteien ihre Forderungen im Wahlkampf zuspitzen müssen. Das hat Gabriel in der vergangenen Woche mit seiner Forderung, die benachteiligten Menschen im eigenen Land nicht zu vergessen gemacht und einen starken medialen Shitstorm geerntet. Das zeigt auf der einen Seite, wie die Reflexe der Medien sachliche Debatten verhindern, auf der anderen Seite zeigt es aber auch, wie groß das Glaubwürdigkeitsproblem des SPD-Vorsitzenden noch immer ist. Leider scheint er keine Intentionen zu haben, daran auf irgendeine Weise konsequent (z.B. durch einheitlichere Botschaften) zu arbeiten.

CDU-Verschleierung bei der Huffington Post: Aufgrund der Gabriel-Debatte bin ich zufällig erstmals auf der deutschen Seite der Huffington Post gelandet. Der dortige Beitrag, „Gabriel spielt Flüchtlinge und Deutsche gegeneinander aus„, verfasst von einem wissenschaftlichen Mitarbeiter im Bundestag, der in äußerst einseitiger Weise Gabriel kritisiert und gleichzeitig für Dinge wirbt, die sich hinter Gabriels Forderung verbergen  (und damit in SPD-Positionen zu finden sind). Googelt man den besagten Bundestagsmitarbeiter so ist dieser nicht etwa beim wissenschaftlichen Dienst des Bundestages angestehlt, sondern verdient seinen Lebensunterhalt als wissenschaftlicher Mitarbeiter eines CDU-Abgeordneten. Indem man bei der ganz offensichtlich um Seriosität und „wissenschaftliche“ Unabhängigkeit bemühte Berufsbeschreibung auf ganz unwissenschaftliche Art essentielle Informationen weglässt,trägt man ganz eindeutig dazu bei, das Vertrauen in Medien zu unterminieren.¹ Es ist daher zu hoffen, dass dies ein Einzelfall bei der Huffington Post ist, sollten mehrere Parteimitarbeiter auf diese Art ihre „politische Herkunft“ verscheliern dürfen, wäre das für die (manchmal sowieso fragwürdige) Glaubwürdigkeit des Portals eine große Einschränkung.

Der Gegenaußenminister: In dieser Woche reiste der bayerische Ministerpräsident Seehofer zum ungarischen Premierminister Orbán. Mittlerweile ist man über Seehofers destruktives Verhalten kaum noch verwundert. Merkwürdig ist nur, dass er nicht einmal den Versuch macht, sich auch mit anderen demokratischen Partnern, wie z.B. französischen oder italienischen Politikern zu treffen. Nein, es müssen Putin, Orbán und im besten Fällen Cameron sein: Alles EU-Kritiker auf ihre Weise und für die ersten beiden zudem mehr oder weniger offene Kritiker der liberalen Demokratie. Doch diese Überlegung geht davon aus, dass Horst Seehofer etwas substantielles erreichen möchte. Ihm aber geht es einzig und allein darum, einen Absturz seiner CSU zu verhindern. Das ist purer Machterhalt, auf Kosten der Regierungsfähigkeit in Deutschland. Derweil wartet die Republik auf den christsozialen Beitrag zur Lösung der Integrationsfrage – doch hier setzt man auf Verweigerungshaltung und konzentriert sich lieber auf Grenz- als auf Problemlösungsfragen.

Das Ergebnis: Das Resultat des zwischen hektischem Populismus in CDU und CSU und offensichtlicher Glaubwürdigkeitskrise in der SPD hin- und herschwenkenden Regierungslager ist der massive Aufstieg der AfD. Wer sich bis jetzt noch keine Sorgen vor den anstehenden Landtagswahlen gemacht hat. Die äußerst guten Ergebniss der Rechtspopulisten in Hessen bei der heutigen Kommunalwahl dürften nur eine Vorbereitung sein. Es ist zu befürchten, dass vor allem die Union anschließend in einen noch stärkeren, noch destruktiveren Populismus verfällt, während die schwache SPD-Führung noch weniger in der Lage dazu sein wird, eine kohärentere Position neben der ziellosen Union zu kommunizieren. Dabei müsste die Entwicklung ein Weckruf sein: Lasst den Populismus, reißt euch zusammen, diskutiert, findet eine Linie und dann verkauft die und setzt diese um. Und vor allem, jagt nicht ständig die nächste „Integrationspflicht“, „Obergrenzen“ oder „Plan A2“ Populismussau durch das Dorf, das mästet nur die AfD.

 


¹ Ich bin übrigens SPD-Mitglied. Der kleine, aber feine Unterschied: Weder beziehe ich meinen Lebensunterhalt durch eine Tätigkeit für die Partei oder einen Mandasträger derselbigen, noch versuche ich meine Beiträge durch eine Berufsbezeichnung seriöser wirken zu lassen, die geschickt die Tätigkeit bei einem CDU-Abgeordneten verschweigt.

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