Die Hanse (von Carsten Jahnke)

hanseDie Hanse ist in Form von Hansestädten noch heute im Alltag präsent. Auch in der Wirtschaft und der Politik, so zeigt Jahnke bereits in der Einleitung, lebt der Mythos Hanse fort. Dabei hat man in unterschiedlichen Ländern jedoch unterschiedliche Vorstellungen von der Bedeutung des Händlerverbundes. Wenn schleswig-holsteinische Politiker an die Hanse anknüpfen wollen, meinen sie damit eine Einigung des Ostseeraum ähnlich der europäischen Einigung, während skandinavische Länder darunter tendenziell den Versuch norddeutscher Städte, die Vorherrschaft über den Ostseehandel zu erlangen, verstehen. In der prägnanten Einleitung zeigt Jahnke jedoch nicht nur die heutige Präsenz des Hansemythos auf. Er skizziert zudem, was das Phänomen Hanse, entgegen landläufiger Vorstellungen, alles nicht ist und wie der Mythos in den vergangenen Jahrhunderten politisch genutzt und missbraucht wurde. Am Ende dieser Einleitung ist dem Leser bewusst, wie schwierig eine Definition der Hanse aus historischer Sicht ist.

Im weiteren Verlauf des Reclam-Büchleins skizziert Jahnke anschließend die Entstehung hanseatischer Verträge, die gehandelten Waren im Nord- und Ostseeraum sowie die Funktionsweise des hanseatischen Handels. Abgerundet wird diese erste Hälfte mit einer Darstellung der Wirkung der Hanse als Organisation sowie der Entwicklung, die eine immer weitere Institutionalisierung und damit eine Abnahme der (flexiblen) Lösungsfähigkeit der Hanse mit sich brachte und das Bündnis letztlich überflüssig machte. Ironischerweise verlor die Hanse in dem Moment an Macht, indem sie sich von einem nicht zu definierenden, losen Zusammenschluss zu einer organisierten Vereinigung entwickelte. Die Hanse, so betont Jahnke immer wieder, funktionierte nur, wenn die angeschlossenen Kaufleute bzw. später Städte dies wollten, nicht wenn sie sich selbst Ziele setzte.

Das Sachbuch räumt dadurch mit einer Reihe von Stereotypen über die Hanse als mächtiges Kartell, als Staat im Staate oder gar als Wegbereiter eines deutschen Nationalismus auf. Zurück bleibt ein vom Autor bewusst diffus gezeichnetes Bild, das einen vielschichtigen Eindruck eines wohl einzigartigen Phänomens vermittelt. Neben dem ständigen Pendeln zwischen den beiden oben skizzierten Polen eines losen Zusammenschluss und einer geschlossen agierenden Organisation betont Jahnk die Bedeutung der wirtschaftlichen Schlüsselstellung norddeutscher Städte zwischen verschiedenen Produktionsstätten. Für eine Weile gelang es ihnen von Nord nach Süd und von Ost nach West Produkte zu verschieben und dabei die Handelsbilanz zwischen diesen Regionen ausgeglichen zu halten. Das Aufkommen neuer Handelswege und –gebiete (wie zum z.B. das neu entdeckte Amerika) sowie der Verlust kultureller Gemeinsamkeiten (wie z.B. der Religion) trugen ebenfalls zum Niedergang der einzig auf Freiwilligkeit basierenden Hanse.

Durch die kurzweilige Darstellung der Materie und den klaren Aufbau des Buches bietet Jahnke dem Leser einen strukturierten und klaren Einblick in ein komplexes System, das noch heute als Mythos im Alltag weiterlebt. Die dadurch verloren gehenden Vorurteile machen das Büchlein äußerst lesenswert.

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