Der Turm der Herren (von Christian Schwarz / Maddrax Band 410)
|Matthew Drax und Aruula haben es geschafft: Nach einer langen Reise durch die Millionenstadt Toxx erreichen die beiden Gefährten den Turm der Friedenswahrer. Hier erhoffen sie sich Erkenntnisse über die mysteriösen Herrscher des Planeten und über den Verbleib ihrer Freundin Xaana. Mithilfe des Zeitgiftes Hochwürdens dringen sie in den Turm vor. Dort geraten sie in ein verzweigtes Labyrinth aus Kammern und haben große Schwierigkeiten, die Kommandozentrale zu identifizieren. Außerdem wissen sie nicht, dass die Friedenswahrer durch die Gefangennahme Hochwürdens ebenfalls an das Zeitgift gelangt sind und dass Aruula in ihrem Kopf eine Gefahr für Toxx trägt.
„Der Turm der Herren“ ist das Finale des ersten Minizyklus um die Friedenswahrer. Der Roman baut auf zehn Bände auf und könnte daher auf ein breites Fundament an Informationen über Toxx bauen. Dies wird nur in wenigen Momenten versucht. Stattdessen wird eine Hetzjagd durch den Turm geschildert, die zwar spannend und atemlos ist, letztlich aber ergebnislos bleibt.
Der Roman hat eine Reihe guter Momente. Bereits das Eindringen in den Turm ist kompliziert und spannend. In den Gängen und Kammern des riesigen Gebäudes kommt es zu vielen Verfolgungsjagden. Außerdem erfährt man kleine Häppchen über die Kultur der Friedenswahrer und ihre eigentümlichen Denkarten. Ein besonders schönes Ereignis ist, dass Matt und Aruula Hochwürden befreien, weil sie sich ihm verpflichtet fühlen. Nach vielen Momenten, in denen die beiden äußerst egozentrisch agierten, ist dies ein gutes Zeichen.
Darüber hinaus ist der Roman aber für ein (Mini-)Zyklusfinale äußerst Informationsarm. Der Leser wusste bereits zuvor, dass es bei den Friedenswahrer eine oppositionelle Fraktion gibt. Deren Hilfe für Matt und Aruula ist zudem sehr stümperhaft, man erfährt wenig bis nichts über die Beweggründe der Oppositionellen. Die beiden Gefährten können dem ihnen helfenden Ingenieur lediglich entlocken, dass er auf der Suche nach mental und physisch geeigneten Lebewesen ist. Scheinbar benötigen die Friedenswahrer Körper für ihre Zwecke. Dies ist jedoch eine sehr magere Ausbeute für ein Zyklusfinale.
Eine genauere Auseinandersetzung mit den Friedenswahrer wird durch das Auftreten der Saven verhindert. Matt und Aruula stifteten einst in diesem sehr mächtigen und äußerst fremden Volk, das selbst die Friedenswahrer fürchten, viel Verwirrung. Unbemerkt konnte sich eines dieser Wesen in Aruulas Kopf einnisten. Nun möchten sich die Saven von dem Wall, den die Friedenswahrer um sie errichtet haben befreien. Dank Matts und Aruulas Hilfe gelingt ihnen das auch. Nun ist die Zukunft von Toxx und den Millionen Bewohnern der Stadt ungewiss. Matt hält es aber für gerechtfertigt, dieses Experiment einzugehen – die Herrschaft der Friedenswahrer ist schließlich auch kein Zuckerschlecken. Diese Ignoranz erscheint äußerst grausam.
Am Ende sorgt die starke Vergessensstrahlung im Turm dafür, dass Matt und Aruula beinahe vergessen haben, woher sie kommen und was sie eigentlich wollen. Der Save, der das Kontrollzentrum der Friedenswahrer übernommen hat, entsendet sie auf einen anderen Planeten in dem Sonnensystem und redet ihnen ein, dass es sich dabei um die Erde handelt. Das ist ein radikales Ereignis: Toxx, die Stadt mit so viel Potential, die die Autoren dem Leser über zehn Bände näher gebracht haben, wird abgehakt, ihr Schicksal ist ungewiss. Stattdessen werden Matt und Aruula nun dorthin gebracht, wo die Friedenswahrer ihre geeigneten Probanden hinschicken. Vermutlich warten dort die nächsten Prüfungen auf die Protagonisten.
Dieser radikale Handlungswechsel erhöht natürlich die Ungewissheit über den weiteren Serienverlauf. Gleichzeitig ist er aber auch ärgerlich: Sollen Matt und Aruula nun von Minizyklus zu Minizyklus weitere Planeten in zehn kurzen Bänden kennenlernen und in den Momenten in denen es interessant wird, von dort verschwinden? Der folgende Zyklus wird nach der geradezu lieblosen (vorläufigen) Entsorgung von Toxx große Mühe damit haben, wirkliche Begeisterung und Faszination für die Eigenheiten des nächsten Planeten aufzubauen. Hier muss eine überzeugendere und stärkere Haupthandlung präsentiert werden, um das Interesse aufrecht zu erhalten.
„Der Turm der Herren“ ist somit ein zwiespältiger Roman: Er unterhält gut, hat viele spannende Momente und kann auf der inhaltlichen Ebene doch nicht richtig überzeugen. Für den Abschluss eines immerhin elf Bände umfassenden Minizyklus wird dem Leser zu wenig an Informationen geboten und gleichzeitig eine mühsam aufgebaute Kulisse geradezu lieblos entsorgt. Nun steht die Handlung vor einem weiteren Nullpunkt, es bleibt zu hoffen, dass dies bald durch solide inhaltliche Gründe erklärt wird.