Hilflose konservative Mindestlohnpolitik?

Seit zehn Jahren steht das Thema „Mindestlohn“ im Zentrum der deutschen Innenpolitik. Mit der letzten Bundestagswahl wirkte es, als könne es damit bald vorbei sein: Im Koalitionsvertrag der Großen Koalition einigten sich die Regierungsparteien auf die Einführung eines verbindlichen Mindestlohn ab 2014 mit gewissen Übergangsregelungen bis 2017. Nun gibt es den Mindestlohn seit zwei Monaten und während die großen Kündigungswellen bisher ausgeblieben sind, ist die Kritik an der Regelung noch nicht verebbt.

Die zuständige Ministerin Nahles erklärte in einer Talkshow selbst, dass sie mit dem Ergebnis „nicht zufrieden“ sein könne. Auf zu viele Arten gelänge es den Arbeitgebern, entweder die Regelung zu umgehen oder die Mitarbeiter durch die Wegnahme sonstiger Vorzüge doch schlechter zu stellen. Während es bisher somit wenig Berichte gibt, die tatsächlich die drohende beschäftigungspolitische Apokalypse untermauern, die Konservative vor der Einführung des Mindestlohnes befürchtet hatten, sind diese Ereignisse für viele Beschäftigte ein echtes Ärgernis. Vorzüge gibt schließlich keiner gerne ab.

In dem Fall des Streichens von Vergünstigungen ist die Politik hilflos. Kein Arbeitgeber ist zu Zusatzleistungen verpflichtet, insofern kann die Politik hier nicht regulierend eingreifen. Allerdings gibt es auch keine genauen Zahlen darüber, ob Beschäftigte dadurch nun weniger Geld erhalten. Vermutlich verlagert sich das Einkommen schlicht von Vergünstigten zum tatsächlichen Gehalt. Und darum ging es ja einst: Ein Gehalt zu garantieren, von dem man wenigstens einigermaßen leben kann.

Anders verhält es sich mit den übrigen „Tricksereien“. Neuberechnung von Stunden oder gar das in Rechnung stellen von Arbeitsmaterial. Hier ist die Politik durchaus gefragt. Beachtlich ist aber das Verhalten der Unionsparteien: Ohne konkrete Änderungsvorschläge ziehen ihre Vertreter mit Mindestlohn-kritischen Formulierungen durch das Land. Die Bürokratiepflichten seien zu hoch, die Dokumentationslast in einigen Betrieben untragbar. Dabei sind es doch genau die Bürokratiepflichten, die verhindern sollen, dass die Mindestlohnregelung umgangen wird. Sicher wird man sich immer darüber streiten können, wo das richtige Verhältnis zwischen Kontrolle und Vertrauen liegt. Wenn aber bereits zwei Monate nach Einführung des Mindestlohns eine eigene Hotline für den Missbrauch eingerichtet werden muss, dann sollten sich auch Konservative fragen, wie sie den Missbrauch unterbinden und den Bürgern zu ihrem Recht verhelfen können. Ansonsten erwecken sie den fatalen Eindruck einer arbeitsmarktpolitisch hilflosen Politik.

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