Am Wahlvolk herumdoktern?

spdAmerikanischer Glanz für die deutsche Politik: Die SPD verhandelt laut Berichten des Spiegels mit Jim Messina über eine mögliche Kooperation im Bundestagswahlkampf 2017. Messina wird ein großer Anteil an Barack Obamas Wahlsieg 2012 zugesprochen. Der amerikanische Politikstratege ist dabei keineswegs ideologisch gebunden: Bei der anstehenden britischen Unterhauswahl unterstützt er die britischen Konservativen. Diese Partei steht so weit rechts, dass sie 2009 die gemeinsame Fraktion mit der CDU im Europaparlament verlassen hat. Es geht also nicht darum, ideologische Beratung für bestimmte Kernbotschaften zu erhalten. Stattdessen soll Messinas „Social Media“-Kompetenz genutzt werden, um im anstehenden Wahlkampf Botschaften unters Wahlvolk zu bringen. Dies verschafft den Sozialdemkoraten in den vergleichweise ruhigen deutschen Wahlkämpfen gleich mehrere Probleme.

Erstens passt der amerikanische Wahlkampfstil nicht zu der deutschen Mentalität. Obwohl die Wahlbeteiligung in den USA in der Regel deutlich niedriger als hierzulande ist, übersteigt die Kampagnenbeteiligung die deutsche um ein Vielfaches. Es ist auch noch ganz normal, dass Parteivertreter mit Anrufen oder gar Hausbesuchen ihre Botschaft unter das Volk bringen. In Deutschland möchte der Wähler hingegen von „der“ Politik Lösungsvorschläge angeboten bekommen unter denen er auswählt. Hausbesuche – das hat eine großangelegte Kampagne der SPD im vergangenen Wahlkampf gezeigt – sind dabei eher ungern gesehen. Genau so ist es mit Partizipationsaufforderungen: Eigeneinsatz möchte der Wähler lieber nicht zeigen. Dafür gibt es schließlich die (immer weniger werdenden) Parteimitglieder. Insofern passt Messinas Internet-Partizipationsstrategie nicht zu den Erwartungen deutscher Wähler an ihre Parteien.

Zweitens wirkt auch die beste Botschaft nicht, wenn das dazu gehörige Programm nicht stimmt. In dieser Dimension ist es der SPD bereits 2009 und 2013 nicht gelungen, ihre Botschaften überzeugend zuzuspitzen. Denn in der Regel sind SPD-Forderungen wie der Mindestlohn oder aber die Begrenzung der Leiharbeit durchaus mehrheitsfähig. In der Abgrenzung zu anderen Parteien (vor allem zur Union) und der Präzisierung der eigenen Botschaft haperte es jedoch (fast) immer. Hier wird ein amerikanischer Berater nicht helfen können. Denn auch er würde nicht verhindern können, dass das Wahlkampfmotto zufällig auch von einer deutschen Leiharbeitsfirma benutzt wird (wie 2013 geschehen). Stattdessen braucht die SPD vor allem nach vier Jahren Großer Koalition einen frühzeitigen inhaltlichen Nachdenkprozess, der zu einem durchdachten, ganzheitlichen und vor allem die (sozialen) Bedürfnisse der Bürger ansprechenden Wahlprogramm führt.

Doch auch solide Wahlprogramme nützen nichts, wenn das dazu gehörige Personal es nicht überzeugend vertreten kann. Die offensichtliche Lücke zwischen Kandidat und Programm war 2013 neben den vielen prozedualen Fehler der Partei die Hauptursache für das enttäuschende Wahlergebnis. Daher muss das Regierungshandeln sowie die konkrete Parteiarbeit und -kommunikation baldmöglichst auf eine inhaltliche Linie ausgerichtet werden, die anschließend auch im Wahlkampf vertreten wird. Messinas Strategie bei Obame war eher, ihn als die bessere von zwei schlechten Alternativen darzustellen. Das mag im bipolaren amerikanischen Parteiensystem funktionieren, im pluralistischeren politischen System Deutschlands wird die SPD damit nie die Regierungsverantwortung erkämpfen.

Um aus dem Umfragekeller herauszukommen muss sich die SPD programmatisch besser aufstellen, die Positionen kohärenter und vor allem agressiver vertreten und ihr konkretes Regierungshandeln mit diesen Positionen in Einklang bringen. Eine amerikanische Kosmetikkur, die nicht existierende (amerikanische) Erwartungen reagiert, wird dabei wenig helfen. Und selbst wenn Messina eine professionelle Kommunikationsstrategie gelingen würde, könnte diese ohne ein inhaltliches Konzept keinen Erfolg erzielen. Für einen sozialdemokratischen Wahlsieg 2017 muss sich an der Parteispitze ein (bisher nicht zu beobachtender) Teamgeist entwickeln, der bestimmte sozialdemokratische Positionen glaubwürdig vertritt. Solch ein Prozess wäre deutlich wichtiger als Verhandlungen mit einem amerikanischen Politikstar.

Add a Comment

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert