Weihnachtliche Wahlplacebos

spdÜber die Weihnachtsfeiertage war die Generalsekretärin der SPD Fahimi in aller Munde. Aufsehen erregte die ansonsten blasse Politikerin mit Aussagen zu alternativen Formen der Wahlorganisation. Dabei ist positiv anzumerken, dass sie sich mit ständig sinkenden Wahlbeteiligungen nicht abfinden möchte. Denn obwohl auf Bundesebene noch immer mehr als 70% aller Wahlberechtigten Wählen gehen, sinkt diese Quote bei Landtags-, Europa- und Kommunalwahlen auf teilweise deutlich unter 50%. Die Alternativen der sozialdemokratischen Politikerin sind hingegen reine Placebos und zudem auch noch widersprüchlich. Sinkende Wahlbeteiligung liegen nicht an der Wahlorganisation, sondern an zuspitzenden Wahlkämpfen und inklusive Politik.

Fahimi regte an, über „Wahlwochen“ mit flexiblen Wahlstationen nachzudenken. Dadurch hätten die Bürger mehr und längere Chancen, ihre Stimme abzugeben. Dieser Vorschlag ist äußerst paternalistisch: Bereits jetzt nutzen Wahl für Wahl mehr Bürger das Prinzip der Briefwahl. Die Bevölkerung ist durchaus in der Lage, Unpässlichkeiten am Wahltag vorherzusehen und darauf zu reagieren. Außerdem ist das System an Wahlorten an den meisten Orten bereits so dicht, dass eine Station mehr im Supermarkt nicht viel ändern würde. Natürlich ist eine Debatte über sinkende Wahlbeteiligungen richtig und wichtig. Die Vorschläge Fahimis hingegen enthüllen ein unzureichendes Verständnis der Bürgerkompetenz im Lande.

Ihre zweite Anregung, die Legislaturperiode auf fünf Jahre zu verlängern, widerspricht zudem ihrem Ziel, Menschen wieder mehr mit Politik in Kontakt zu kommen. Mit dieser Forderung ist sie nicht allein. Politiker jedweder Couleur ziehen mit dem Wunsch nach einer Verlängerung der Parlamentszeit durch das ganze Land. Die Koalition der Willigen reicht von der SPD-Generalsekretärin über z.B. Teile der Grünen in Bremen bis hin zu Bundestagspräsident Norbert Lammert. Das Hauptargument ist immer, dass es damit weniger Wahlkampfzeit gebe, die nun einmal verschwendete Zeit sei. Diese primitive Ansicht beschreibt genau das derzeitige Problem der Politik.

Zunächst ist es fadenscheinig. Eine gute Regierung kann auch in vier Jahren wichtige Projekte durchsetzen. Das zeigt nicht nur ein Blick in die Vergangenheit, es ist auch in anderen Ländern möglich. Viel mehr bietet eine kürzere Legislaturperiode den Bürgern die Möglichkeit, rascher ein Urteil darüber zu fällen, ob eine Regierung gut arbeitet, ob sich gegen ihre Interessen arbeitet oder gar in (schwarz-gelbe) Lethargie verfällt. Es liegt an wankelmütigen Politikern, dass seit dem Ende der rot-grünen Koalition viele Regierungen als Stillstandskoalitionen wahrgenommen werden. Es ist nicht die Schuld zu vieler Wahlkämpfe im Land.

Denn Wahlkämpfe sind alles andere als verschwendete Zeit. Eigentlich sollen sie zur Zuspitzung politischer Positionen führen. Damit wird dem Bürger deutlich gemacht, zwischen welchen Alternativen er sich entscheiden kann. Dieser Art von Politik entzieht sich die Union unter Angela Merkel seit 2005 mit dem Konzept der asymmetrischen Mobilisierung. Hierbei geht es darum, dafür zu sorgen, dass mehr Wähler des politischen Gegners zu Hause bleiben als eigene Wähler. Dieses Konzept spielt geradezu mit geringen Wahlbeteiligungen. Doch nicht nur aus beteiligungstheoretischer Sicht sind diese Zuspitzungen nötig: Der Wahlkampf formt zudem das Programm für die kommenden vier Jahre. Zwar reagieren Regierungen immer wieder auf spontane Ereignisse, ihre Leitlinien kann man in der Regel jedoch auf Wahlkampfversprechen zurück führen. Für die CDU hat es 2013 gereicht, der Bevölkerung die Mütterrente zu versprechen, in fast allen anderen Punkten (neben einer Ausländer-Maut) blieb sie vage. Wahlkämpfe bringen Inhalte in die Politik und stoßen somit Projekte. Die Vorstellung, dass kurze Legislaturperioden für politischen Stillstand verantwortlich sind, ist somit illusionär.

Bürger wiederum bleiben zu Hause, wenn sie keine Alternativen sehen oder sich von der Politik nicht angesprochen fühlen. Das beste Mittel gegen geringe Wahlbeteiligungen ist somit eine Politik und ein Wahlkampfstil, der mutige Projekte formuliert, diese überzeugend zuspitzt und zudem versucht, die Probleme der Menschen im Land auch anzupacken. Solange nennenswerte Teile der Bevölkerung das Gefühl haben, dass sich die Politik ihrer Probleme sowieso nicht annimmt, wird die Wahlbeteiligung nicht wieder steigen. Anstatt über Legislaturperioden und mobile Wahlkabinen nachzudenken, sollte die SPD daher lieber darüber nachdenken, wie sie angesichts einer nahezu inhaltslosen CDU die Lebenssituation der Menschen im Lande verbessern kann. Das ist eine deutlich schwierigere Aufgabe, aber der einzige Weg die Wahlbeteiligung zu erhöhen und Nichtwähler für die Politik zurück zu gewinnen.

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