Die Thüringer Ministerpräsidentenwahl deckt demokratische Traditionen der Parteien auf

thueringenThüringen hat einen neuen Ministerpräsidenten und produziert einen Skandal. Der CDU ist es nicht gelungen, Grüne oder sozialdemokratische Abgeordnete von der Wahl Ramelows abzuhalten. Stattdessen hat man laut dem Spiegel versucht, Ramelows Wahl mithilfe der rechtspopulistischen AfD zu verhindern. Dieser Vorgang verdeutlicht, wie wenig demokratische Prinzipien in der CDU zählen.

Die Zusammenarbeit mit populistischen Parteien ist eine heikle Angelegenheit. Es dauerte Jahre bis SPD und Grüne sich zu ersten Koalitionen zusammenfanden. Schwieriger ist der Umgang mit der Linkspartei, die sich teilweise nicht vollständig von ihrem historischen Erbe distanziert hat, und der AfD, die in vielen Politikfeldern ausgrenzende wenn nicht gar diskriminierende Positionen vertritt.  Moderne Parteien werden oft als quasi-oligarchische Konstruktionen bezeichnet. Sie benötigen, zumindest in Westeuropa, viele Mitglieder, um ihre Wahlkämpfe zu führen. Die Kontrolle über inhaltliche Positionen obliegt jedoch trotz innerparteilicher Demokratie via Parteitage oder -konferenzen einer kleinen Führungselite. Dieser Leitungskreis legitimiert die eigene Existenz in der Regel mit regelmäßigen Wahlen, die repräsentativedemokratischen Prinzipien genügen.

Seit der Bundestagswahl 2013 ist dieses Konzept bedroht. Im vergangenen Jahr ließ die SPD ihre Mitglieder über den Koalitionsvertrag mit den Unionsparteien abstimmen. Anders als bei vorherigen Urwahlversuchen ging es dabei weniger um Personen als um Inhalte. Einzelne Verfassungsrechtler zweifelten die Rechtmäßigkeit dieses Vorgehens an. Letztlich wurde die Wahl jedoch zu einem Vorbild innerparteilicher Willensbildung. Die SPD kam somit dem verfassungsrechtlichen Auftrag, an der politischen Willensbildung als Partei teilzunehmen, nach. In Thüringen – und unter anderem auch in Sachsen – wurde das Instrument einer Mitgliederbefragung wieder eingesetzt. Die Basis der SPD wie auch die Mitglieder der Linksparteien und der Grünen stimmten entweder einer gemeinsamen Koalition oder aber einem gemeinsamen Koalitionsvertrag mit großen Mehrheiten zu. Dies war natürlich auch strategisch ein kluger Schachzug: Kritische Abgeordnete mussten sich jetzt nicht nur gegen das Votum ihrer Parteiführung sondern auch gegen die Meinung ihrer eigenen Basis stellen, sollte rot-rot-grün verhindert werden. Die Aufrufe aus dem rechten und rechtspopulistischen Lager, die Koalition zu verhindern, wurden damit zu einer Aufforderung, die innerparteiliche Demokratie zu ignorieren.

Natürlich ist der CDU kein Vorwurf zu machen, dass sie aus ideologischen und parteitaktischen Gründen trotzdem diese direktdemokratischen Verfahren in Frage stellt. Fraglich ist hingegen, wie sie ihre eigene Position zum rechtspopulistischen Rand klärt. In alter konservativer Tradition hat die christdemokratische Parteiführung schlicht selbst die Entscheidung getroffen, mit der AfD nicht zu kooperieren. Zum Vergleich: Die SPD hat auf ihrem letzten Bundesparteitag per Parteitagsdebatte und -beschluss Möglichkeiten für Koalitionen mit der Linkspartei auszuloten. Was auf der einen Seite also über repräsentativ gewählte Delegierte geregelt wird, entscheidet in der CDU die (immerhin von solchen Delegierten gewählte) Parteiführung.

Die jüngsten Berichte des Spiegels deuten zusätzlich darauf hin, dass die Entscheidung in keiner Form mit der AfD zu kooperieren von den Landesverbänden wie auch von Angela Merkel nicht ernst genommen wird. Kurz vor dem CDU-Bundesparteitag in Köln muss man sich daher nicht nur fragen, warum die CDU bereit ist, mit rechtspopulisten zusammenzuarbeiten, sondern auch, wieviel Beschlüsse in dieser Partei eigentlich zählen. Bei dem derzeitigen, willkürlichen Umgang mit der eigenen Beschlusslage, kann man als Christdemokrat nicht sicher sein, ob die eigene Partei nicht bald mit reaktionären Nationalisten zusammenarbeitet. Sozialdemokraten werden – nach Lehren aus der Vergangenheit - in strittigen Fällen wenigstens über direkt- oder repräsentativdemokratische Mechanismen vorher gefragt.

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