Die Stadt der Blinden (von José Saramago)

stadt der blindenPlötzlich erblindet ein Autofahrer. Mithilfe seiner Frau gelingt es dem Autofahrer zu einem Augenarzt zu gehen. Doch die Erblidnung ist unerklärlich. Bevor weitere Untersuchungen vorgenommen werden können treten weitere Fälle auf. Zunächst erblinden alle Patienten des Augenarztes und der Arzt selbst. Daraufhin entschließt sich die Regierung, die Erblindeten sowie mögliche Infizierte in eine Quaranteeinrichtung abzuschieben. Während der Deportation gelingt es der nichterblindeten Frau des Arztes, ihren Mann zu begleiten. Wie durch ein Wunder entgeht sie dem Schicksal der Erblindung. Hauptsächlich aus ihren Augen erzählte Saramago wie die Gesellschaft mit der sich rasch ausbreitenden Erblindungswelle umgeht.

Samarago verwendet für seine Charaktere keine Namen, sondern Statusbeschreibungen. Zwei Hauptpersonen des Romans sind zum Beispiel der Arzt und seine Frau. Wichtig sind im Verlauf der Handlung außerdem ein alter Mann. Außerdem verzichtet der Autor auf die Kennzeichen wörtlicher Rede. Zunächst lassen diese beiden Stilmittel den Text ungewohnt und ein wenig kompliziert werden. Im Laufe des Romans entwickeln sie jedoch eine hohe Dynamik. Rasch erkennt man einzelne Charaktere an ihrer Redeweise und an anderen Beschreibungen, die der Autor ihnen zuweist. Auf diese Weise erscheint die Handlung sehr nah.

Diese emotionale Nähe zur Handlung wird durch einen nüchternen Erzähler abgeschwächt. Meist erlebt man die Handlung aus den Augen der Frau des Arztes, an einigen Stellen kann der Erzähler jedoch auch die Perspektive anderer Personen wahrnehmen. In der Regel weiß er über die Gefühle und Gedanken aller Beteiligten Bescheid. Außerdem vermag er es geschickt und häufig erschreckend sachlich die Ereignisse in Perspektive zu setzen. Während der Roman grauenhafte Zustände – beengte Verhältnisse in der Quarantäne, Massenvergewaltigungen und Anarchie in Großstädten – schildert, erweckt die Stimme des Erzählers den Eindruck absoluter Normalität.

Tatsächlich ist gerade dieser Eindruck das beängstigende des Romans. So absurd die Idee einer plötzlich um sich greifenden Blindheit wirken mag. Die in „Die Stadt der Blinden“ geschilderten Folgen wirken äußerst realistisch. Vermutlich würden die meisten westlichen Gesellschaften in dieser oder ähnlicher Form gegen eine unbekannte und unerwartete Krankheit vorgehen. Saramago schildert den Prozess aus der Perspektive Individuen, die diesen „normalen“ Vorgängen hilflos gegenüberstehen. Zusammen mit vielen unerwarteten aber plausiblen Wendungen dieses Katastrophenszenarios bietet „Die Stadt der Blinden“ eine spannende aber auch nachdenklich und zum Teil schockierende Lektüre.

 

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