Memoria (von Laurent Genefort)

laurent-genefort-memoriaEr hat seinen Namen und seinen Körper vergessen. Aber er besitzt eine Maschine, mit deren Hilfe er Besitz von Körpern ergreifen kann. Auf diese Weise ist er zum gefragtesten Attentäter der Galaxis geworden. Wenn er ein Ziel ins Auge fasst, können alle Personen plötzlich Attentäter werden. Seit Jahrhunderten geht er dieser Tätigkeit nach. Doch ein Albtraum, der ihn regelmäßig einholt, wird immer schlimmer. Hat sein Geist etwa das Ende der möglichen Existenz erreicht?

Laurent Geneforts Romane sind meist in der sogenannten „Panstructure“ angesiedelt. Auch wenn man noch keinen seiner Romane gelesen hat, erahnt man sofort den Umfang dieses Universums. Die Menschheit hat sich auf hunderten Planeten ausgebreitet, jede planetare Gesellschaft weist eine bestimmte Kultur auf. Das bietet eine Bühne für unzählige Abenteuer. Mémoria erzählt in seinen drei Teilen Geschichten, die lediglich lose zusammenhängen. Zunächst erlebt man den Attentäter bei einer „gewöhnlichen“, weil erfolgreichen Mission. Auf dem zweiten Planeten verhindert ein Albtraumbefall, dass er sein Ziel erreichen kann. Und im dritten Abschnitt erfährt er die Wahrheit über seine Existenz. Der Leser erhält dadurch Einblicke in drei unterschiedliche Gesellschaften. Zwar sind alle von übermächtigen Konzernen regiert. Doch während der erste von der Mafia kontrolliert wird, hat sich auf dem zweiten Planeten ein starres Kastensystem etabliert. In der letzten Geschichte endet der Kampf zweier Bevölkerungsgruppe, auf makabere Art den Erleuchtungen der Hauptperson widersprechend, in einem Genozid. Alle drei Geschichten können hinsichtlich des gewählten Schauplatzes überzeugen. Der häufige Ortswechsel verhindert jedoch auch das Entstehen wirklicher Spannung.

Ähnlich gelungen ist Geneforts Wahl seiner Hauptperson. Hier hat ein Mensch dank einer fremdartigen Maschine Unsterblichkeit erreicht. Gleichzeitig besitzt er aber weder Name noch Körper. Freunde oder andere Bezugspersonen hat die Hauptperson ebenfalls nicht. Die in der ersten Person verfasste Erzählung strahlt dadurch immer auch unglaublich viel Melancholie aus. Denn der Charakter tötet nicht um des Mordens willen. Er nimmt ausschließlich Aufträge an, deren Ziele selbst für Tote verantwortlich sind. Trotzdem verwundert es schnell, warum der Attentäter seine Profession niemals hinterfragt. Sie bringt ihm Geld ein, aber über die Jahrhunderte dürfte er ausreichend verdient haben. Er ist auf seine Arbeit nicht mehr angewiesen. Es scheint, als bedürfe er hauptsächlich eines Kriteriums, seine neuen „Gastgeber“ auszuwählen. Durch die Aufträge ist immer klar, welche Körper er als nächstes übernehmen wird. Doch da er nach dem Verlassen eines Körpers keinen Schaden zurücklässt, könnte er auch einfach frei leben.

Das Versäumnis dies aufzuklären wiegt schwer. Denn obwohl Genefort ein stimmig melancholisches Bild zu zeichnen vermag, bleibt der Erzähler unglaubwürdig. Selbst wenn er jeden eigenen Antrieb neben seiner Arbeit verloren hätte, müsste er einige spezifische Eigenheiten aufweisen. Diese fehlen jedoch. Die Enthüllung der wahren Existenz des ursprünglich Ian genannten Attentäters im dritten Teil der Geschichte lassen erahnen, warum er sich die Jahrhunderte zuvor antriebslos verhalten hat. Aber obwohl das Verhalten am Ende logisch aufgelöst wird, trägt Genefort damit doch lange einen nicht überzeugenden Charakter durch den Roman.

Memoria hätte vor der großartigen Kulisse und mit der melancholischen Stimmung eine überzeugende Reflexion über Unsterblichkeit und  Identitätsverlust werden können. Durch Geneforts Fokus auf den Ausflug in den Bereich der künstlichen Intelligenz am Ende des Romans, ist dies jedoch unmöglich. Das ist schade, denn Mémoria vermag es aufgrund der vielen Ortswechsel kaum Spannung aufzubauen und bereits in der zweiten Geschichte fällt Ians unreflektierte Art unangenehm auf. So startet der Roman mit einer sehr guten Idee in einem faszinierenden Universum, um im Anschluss eine arg durchschnittliche Geschichte zu erzählen.

Der Roman ist noch nicht auf Deutsch erschienen und liegt nur im französischen Original vor.

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