Diplomatie

In der Nacht vom 24. auf den 25. August 1944 soll Paris zerstört werden, um den Vormarsch der Alliierten ein wenig zu verzögern. In den Trümmern sollen die knapp 2 000 verbliebenen Soldaten den amerikanischen Truppen länger Widerstand leisten können. Kurz vor dem Befehl zur Zerstörung der Stadt schleicht sich der schwedische Diplomat Raoul Nordling in das Befehlzimmer des deutschen Generals von Choltitz. Die Nacht über versucht er den Menschen hinter dem überzeugten nationalsozialistischen General zu identifizieren und den General von der Zerstörung Paris abzuhalten.

Paris wird nicht zerstört, dass ist jedem Zuschauer des Films klar. Auch ist die Handlung historisch wohl nicht authentisch. Gesichert ist, dass Nordling mit von Choltitz über die Freilassung von Résistance Gefangenen verhandelte. Auf diese Verhandlung wird dann auch zu Beginn des Filmes verwiesen. Die genauen Beweggründe Choltitz, den Zerstörungsbefehl zu verweigern, sind ungeklärt.

„Diplomatie“ ist die Verfilmung eines gleichnamigen französischen Theaterstücks, dass die Motivation des Generals fiktional beleuchtet. Auch die beiden Hauptdarsteller hat man aus der Pariser Inszenierung übernommen. Man merkt ihnen die umfangreiche Auseinandersetzung mit ihren Rollen deutlich an, beide beherrschen sie perfekt. Dadurch gelingt es ihnen exzellent, die fragile Beziehung zwischen dem schwedischen Konsul und dem deutschen General darzustellen.

Von Choltitz wird zunächst als ein durchaus überzeugter NS-General dargestellt. Die Bedenken seiner Stabsangehörigen, Paris zu zerstören, zerstreut er rasch. Auch wird deutlich, dass er sehr aktiv an der Massenvernichtung von Juden beteiligt war. So wird bereits in den ersten Minuten die Frage aufgeworfen, wie sich jemand, dem tausendfache Menschenleben eine Befehlsverweigerung nicht wert waren, erweichen lassen könnte, einige Bauwerke zu verschonen. Die Antwort folgt rasch: Nicht nur Bauwerke, auch die Mehrheit der Pariser Bevölkerung würde durch die Sprengungen ums Leben kommen.

Dem Film gelingt es in den darauffolgenden knappen 90 Minuten, den Konflikt zwischen Gewissen und (erzwungener) Loyalität sehr gut und komplex darzustellen. Dabei wird sowohl die französisch-schwedische Position Nordlings als auch die persönlich-deutsche Sichtweise Choltitz äußerst differenziert dargestellt. Kleine Szenen, die zum Beispiel das Durchschnittsalter der deutschen Soldaten in Erinnerung rufen, machen auch auf kleiner Ebene den nationalsozialistischen Wahnsinn der letzten Kriegsjahre noch einmal besonders deutlich.

Es ist etwas schade, dass das Hauptargument am Ende das Schicksal Choltitz‘ Familie ist. Angesichts der kurz vor seiner Abfahrt nach Paris erlassenen Sippenhaftgesetze fürchtet der General um das Leben seiner Familie. Erst als Nordling ihn davon überzeugen kann, dass seine Familie in Sicherheit gebracht werden könnte, lässt sich Choltitz erweichen. Natürlich ist die Sorge um die eigene Familie ein starker Antrieb. Generalisiert man das hier gezeichnete Bild jedoch etwas, so kann der Eindruck entstehen, dass viele NS-Generäle hauptsächlich aus Sorge um ihre Familie handelten. Glücklicherweise wird dem dadurch widersprochen, dass die Gesetze erst wenige Wochen zuvor erlassen wurden und somit während des Großteils des Kriegs keineswegs eine besondere Motivation für die Generäle darstellten.

Diese ist jedoch nur ein kleiner Kritikpunkt an einem ansonsten sehr starken und überzeugenden Film, dem es am Ende sogar gelingt eine Reihe von äußerst spannenden und bewegenden Szenen zu produzieren, obwohl der Ausgang der Ereignisse längst bekannt ist.

Tags:

Add a Comment

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert