Auftakt zur Europawahl: Martin Schulz ist Spitzenkandidat der SPD
|Die Europadelegiertenkonferenz der SPD wählte gestern Martin Schulz zu ihrem Spitzenkandidaten für die Europawahl im Mai diesen Jahres. Es wird erwartet, dass die Sozialistische Partei Europas Martin Schulz auch zu ihrem europaweiten Spitzenkandidaten wählen wird. Die Partei und er selbst haben das Ziel ausgegeben, ihn zum Präsidenten der Europäischen Kommission zu wählen. Damit nähren die Sozialdemokraten und Sozialisten Europas die Hoffnung, die Bürger Europas könnten über den Vorsitz der EU-Kommission mittels der Europawahlen mitbestimmen. Das ist gar nicht mal so abwegig, der Reformvertrag von Lissabon sieht dies (indirekt) vor. Nur leider stehen die Chancen sowohl für den sozialdemokratischen als auch für die grünen und liberalen Spitzenkandidaten reichlich schlecht. Die größte Fraktion im Europaparlament stellen die Konservativen und die konnten sich bisher nicht auf einen Spitzenkandidaten einigen.
Die letzte Europawahl im Mai 2009 brachte einen klaren Sieger hervor: Die Europäischen Konservativen gewannen auf dem Höhepunkt der Finanzkrise 36% der Sitze des Parlaments. Die Sozialisten folgten mit mageren 25%. Selbst die unwahrscheinliche Koalition aus Sozialisten, Liberalen, Grünen und Kommunisten stellen heute gerade einmal 48% der Sitze im Europäischen Parlament. Die Konservativen haben daher eine hegemoniale Stellung im Parlament.
Die Wahlniederlage der Sozialisten lag vor allem an den drei größten EU-Ländern. In Deutschland erreichte die SPD gerade einmal 20%, die Sozialisten in Frankreich und die Labour-Party im Vereinigten Königreich unterboten dieses Negativergebnis noch einmal deutlich (mit 17 und 16%). Aber auch in den großen neuen EU-Staaten wie zum Beispiel Polen oder Ungarn haben sich sozialdemokratische Kräfte noch lange nicht von den Wahlniederlagen zu Beginn des letzten Jahrzehnts erholt.
Die Ausgangslage ist diesmal kaum besser: Die französischen Sozialisten haben mit François Hollande den  unbeliebtesten Präsidenten seit Gründung der 5. Republik. Das wird sich auf die Europawahl auswirken. Noch schlimmer: Den moderaten Zugewinnen im Vereinigten Königreich und in Deutschland stehen drohende massive Verluste in Südeuropa gegenüber. Die PASOK in Griechenland ist zwischen Konservativen und kommunistischen Kräften beinahe maginalisiert wurde, bei der letzten Wahl erhielt sie noch beinahe 40%. Auch die Sozialisten in Portugal und Spanien haben seitdem Wahlen verloren und sehen sich zwar sparenden aber doch erfolgreichen konservativen Regierungen gegenüber. Ein besseres Ergebnis können die Sozialisten also vielleicht erreichen, stärkste Fraktion zu werden, erscheint jedoch unwahrscheinlich.
Die Möglichkeit einer linken oder links-liberalen Mehrheit ist gleichfalls illusorisch. Europaweit hat die Krise zu einer mentalen Renationalisierung geführt. Im Vereinigten Königreich und in Frankreich haben rechtspopulistische Parteien die Chance, stärkste oder zweitstärkste Kraft zu werden. In Griechenland sind die Kommunisten anti-europäisch eingestellt. Mit diesen Parteien ist keine europäische Politik zu machen. Zwar mag das Erstarken der Rechtspopulisten die Konservativen schwächen, ihre Stimmen gehen aber immer auch zu Lasten der sozialistischen Parteien.
Die Idee, die Bürger bei der Auswahl des Kommissionspräsidenten mitstimmen zu lassen, bleibt gut. Dass die SPD und auch die SPE dies mitmachen, sie den Europawahlkampf als Chance betrachten und Ernst nehmen, ist ein gutes Zeichen. Fatal ist, dass die Europäischen Konservativen sich nicht gleichfalls auf einen Spitzenkandidaten einigen. So wird es im Wahlkampf nicht zu einer Zuspitzung zwischen einer konservativen und einer sozialistischen Idee für Europa kommen. Stattdessen werden die Rechtspopulisten Europas versuchen, die Wahl zu einer anti-Europa Abstimmung zu machen und sich als einzige Alternative zum europäischen „Mainstream“ zu stilisieren. Eine klare Wahloption zwischen zwei europäischen Spitzenkandidaten, mit tatsächlichen Chancen würde ihnen diesen Versuch deutlich erschweren.