Stoner (von John Williams)
|Stoner, geboren 1891 auf einer kargen Farm, wird 1910 von seinem Vater an die University of Missouri gesendet, um dort Agrarwissenschaften zu studieren. Bereits im zweiten Jahr wechselt er das Studienfach: Er studiert Englisch, schreibt seine Dissertation in dem Fach und bleibt als Lehrer an der Universität. Er heiratet die falsche Frau, die die gemeinsame Tochter als Waffe im Ehekrieg verwendet und wird durch Fakultätsintrigen am Fortkommen im Universitätsbetrieb gehindert. Am Ende hinterlässt sein Leben keine Spuren, dennoch ist Stoner zufrieden.
Der Roman ist bereits 1965 erschienen, erfuhr aber erst in diesem Jahrtausend größere Aufmerksamkeit und internationale Verbreitung. Auf den ersten Blick verspricht die Handlung, bereits auf der ersten Seite zusammengefasst, eine reine Universitätsgeschichte. „Stoner“ ist jedoch ein Roman, auf den das etwas klischeehaft wirkende „New York Times“-Zitat auf der Rückseite zutrifft: „a perfect novel, so well told and beautifully written, so deeply moving, that it takes your breath away.“
Stoner erwartet nicht viel vom Leben. Er ist auf einer kargen Farm aufgewachsen und hat nie erwartet, auf eine Universität gehen zu können. Im Gegenteil als seine Eltern verkünden, dass er auf eine Universität gehen wird, versucht er das zunächst abzuwehren. Tatsächlich verwirrt ihn die Universität zutiefst. Er versucht nicht einmal, mit anderen Studierenden in Kontakt zu kommen. Sie scheinen für ihn aus einer anderen Welt (Klasse) zu kommen.
An der Universität entdeckt Stoner die Liebe. Er geht in englischer Literatur auf, sie begeistert ihn. Dadurch entfremdet er sich zwar von seinen Eltern, seine Zuneigung zu ihnen, so betont er, wächst jedoch noch. Auch zu seinen beiden im Englischstudium gefundenen Freunden baut er eine Enge Beziehung auf. Nur die Liebe zu einer Frau, die entdeckt er vorläufig nicht. Stattdessen lässt er sich vom ersten Verliebtsein leiten und heiratet Edith.
Die Ehe ist ein (wunderschön beschriebenes) Desaster. Obwohl beide ernsthaft versuchen, zueinander zu finden, gelingt das nicht. Die bereits in den Flitterwochen auftretenden Spannungen, intensivieren sich. Stoner nimmt all das als gegeben hin. Er ist ein beeindruckendes Zeichen wie man auch in schwierigen Umständen seinen Weg gehen kann, ohne daran zu zerbrechen. Sicher, seine Ansprüche sind nicht besonders hoch und seine Konfliktscheu gelegentlich auch etwas nervig.
Einem Konflikt an der Universität geht er jedoch nicht aus dem Weg. Einem unfähigen Studenten, der in seinem Seminar betrügt, gibt er eine schlechte Note, obwohl der Dean der Fakultät den Junge protegiert. Im darauf folgenden Verfahren macht sich Stoner den Dean zu einem Erzfeind. Dieser verhindert nicht nur jeden Aufstieg, sondern zerstört auch Stores Affäre mit einer jungen Doktorandin – der (weiblichen) Liebe seines Lebens. Auch diese Konstellation nimmt Stoner lange hin.
Im hohen Alter beginnt sich Stoner zu wehren. Seine Gattin hat den psychologischen Krieg da schon perfektioniert, Hauptleidtragende ist die gemeinsame Tochter Grace, die sich bereits in jungen Jahren in eine Ehe und den Alkoholkonsum flüchtet. Stoner zeigt kurz vor seinem Tod, sowohl dem Dean als auch seiner Frau, dass er in psychologischen Spielchen ähnlich versiert ist. Und obwohl er kurz danach, vom Krebs zerfressen, stirbt, bedauert er nicht, erst so spät rebelliert zu haben. Er hinterlässt nicht viel, erfährt nie, was sich Edith von der gemeinsamen Ehe eigentlich versprochen hat. Seine Erwartungen an das Leben, die nicht besonders spezifisch waren, haben sich erfüllt. Er konnte sich mit Literatur beschäftigen, ist mit sich zufrieden.
Das Buch überzeugt nicht nur mit dem beeindruckenden, niemals verzweifelnden und doch nicht stoischen, sondern emotionalen Hauptcharakter Stoner. Zusätzlich wartet Williams mit einer klaren und doch bewegenden Sprache auf. „Stoner“ erweckt tatsächlich den Eindruck eines modernen Klassikers, der – ganz der „klassische“ Roman – ein Leben in seiner kompletten Breite darstellt. Das ist, wie sich Nick Hornby auf der Rückseite zitieren lässt, traurig, weise und elegant.