Sozialdemokratische Kernpositionen in den Koalitionsverhandlungen
|Vor einer Woche beschloss der Parteikonvent der SPD, Koalitionsverhandlungen mit den Unionsparteien aufzunehmen. Gleichzeitig wurde eine Liste von zehn zentralen Punkten verabschiedet, die es in den Koalitionsvertrag schaffen müssen. Der Aufbau dieses Forderungskatalogs ist interessant. Zunächst wird darauf verwiesen, dass Kompromisse in einer Koalitionsbildung unvermeidlich sind. Die Punkte sind jedoch nicht als Maximal-, sondern als Minimalforderungen zu verstehen. Sprich: Kein Koalitionsvertrag ohne diese Themen.
Kein Wunder also, dass die Presse kritisierte, viele Punkte seien zu weich formuliert. Ansonsten hätte sich die Parteiführung bei den Verhandlungen auch zu stark eingeschränkt. Verwunderlich ist eher, dass man seine eigene Verhandlungsposition so herunterhandelt. Normalerweise geht eine Partei schließlich mit Maximalforderungen in Verhandlungen, um das Meiste herauszuholen. Das ist nun kaum noch möglich, hat der Parteikonvent doch indirekt auf Steuererhöhungen bereits verzichtet. Gleichzeitg wäre jedes Unterschreiten der zehn Punkte ein Vertrauensbruch der Parteiführung. Keine einfach Situation.
Wichtig ist nun, dass diese zehn sozialdemokratischen Kernpositionen kommuniziert werden. Dies sind immerhin die Themen, von denen die SPD glaubt, sie in einer Großen Koalition umsetzen zu können – und an denen sie sich später auch messen lassen muss. Eine Debatte über diese Inhalte fand in den Medien in der vergangenen Woche nicht statt. Die wenigsten Deutschen hatten somit die Chance über die Ziele der SPD informiert zu werden. Sie werden voraussichtlich erst nach den Verhandlungen erfahren, welche Punkte die SPD nicht durchsetzen konnte. Bevor also das große Donnerwetter mit dem Koalitionsvertrag über die SPD hereinbrechen wird (ohne dabei zu reflektieren, was die Union wohl aus ihrem (spärlichen) Wahlprogramm verwirklichen kann), sollten die Themen noch einmal zusammengefasst werden.
- Arbeit. Im Streiten für gute Löhne möchte die SPD nicht nur einen Mindestlohn von 8,50, sondern auch eine stärkere Regulierung der Leih- und Zeitarbeit sowie von Werkverträgen und die Abschaffung sachgrundloser Befristung.
- Altersarmut. Um Altersarmut zu verhindern, soll nach 45 Arbeitsjahren eine „gute“ Rente stehen, die Grundsicherung im Alter soll ausgebaut werden und die Renten zwischen Ost und West angepasst werden.
- Pflege. Die Qualität in der Pflegeversicherung soll verbessert werden, unter anderem durch mehr Personal, finanziert durch eine Erhöhung des Beitragsatzes.
- Gleichstellung. Das Prinzip „Gleiches Geld bei gleicher Arbeit“ soll gesetzlich festgeschrieben werden, verbindliche Regeln für Frauen in Führungspositionen verabschiedet werden. Außerdem wird das Betreuungsgeld für falsch gehalten und gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften sollen gestärkt werden.
- Einwanderung. Die SPD plädiert für eine Art doppelte Staatsbürgerschaft und möchte die Situation von Flüchtlingen im Land verbessern.
- Kommunen. Die Kommunen sollen finanziell gestärkt , ein Bundesteilhabegesetz für Menschen mit Behinderungen verabschiedet und Mieterhöhungen reguliert werden.
- Infrastruktur. Die Infrastruktur soll ausgebaut, die Energiewende fortgesetzt werden, Privatisierungen werden abgelehnt.
- Bildung. Das Bildungssystem soll weiter in Richtung Chancengleichheit gestaltet werden, mehr Investitionen sollen unter anderem durch die Abschaffung des Kooperationsverbotes getätigt werden und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie gestärkt werden.
- Finanzmärkte. Eine Finanztransaktionssteuer soll eingeführt, Steuerbetrug stärker geahndet werden.
- Europa. Eine Europäische Wachstrumsstrategie soll entwickelt, Jugendarbeitslosigkeit europaweit bekämpft werden und die EU weiter demokratisiert werden.
Zu Finanzierung dieser vorhaben, sollen unter keinen Umständen Sozialleistungen reduziert werden.
Dieses Programm mag sich zurückhaltender als das Wahlprogrmam lesen, ist aber noch immer ein weiter Unterschied zu der konzept- und zukunftslosen schwarz-gelben Regierungspolitik der letzten Jahre, die (soziale) Probleme ausgesessen hat anstatt sie aktiv anzugehen. An diesen Punkten will sich die SPD-Führung nach den Koalitionsverhandlungen messen lassen. Trotz vager Formulierungen wirkt es unwahrscheinlich, dass sich die Union in all diesen zehn Punkten aus ihrer Komfortzone herausbewegt. Die Verhandlungen werden also spannend.