Die Verwirrungen des Zöglings Törleß (von Robert Musil)

die verwirrungen des Zöglings törleß1906 erschienen, beschreibt Mursils erster Roman das Erwachsenwerden des jungen Törleß in einem Internat. Törleß leidet im Internat, vermisst seine Heimat und seine Eltern und muss doch bleiben, da er nur hier die Bildung erhalten kann, die er für seine zukünftige Position benötigt. Überraschend drastisch stellt Mursil dar, wie Törleß unter den Einfluss zweier Mitschüler, Beineberg und Reiting gerät. Seine beiden Kameraden, Freunde kann man sie kaum nennen, sind zwar grundverschieden, haben aber eins gemeinsam: Beide scheinen eine klare Position zum Leben zu haben, sehen ihre Zukunft klar vor sich. Daraus schöpfen sie nicht nur Selbstbewusstsein, sondern nehmen eine gewisse Autorität für sich in Anspruch. Törleß wendet sich mit seinen Überlegungen immer wieder an die beiden, seine Zweifel werden durch die starren Positionen seiner Bezugspersonen jedoch eher verstärkt.

In Bewegung geraten die Ereignisse, als sich der Schüler Basini aufgrund von Schulden in ein Abhängigkeitsverhältnis zu Beineberg und Reiting begibt. Die beiden Jungen nutzen die gewonnene Dominanz bis zum Extrem aus, um ihre sadistischen Neigungen an Basini zu befriedigen. Mursil findet für die Grausamkeiten nicht nur erschreckend harmlose Worte, sondern lässt den Leser die Handlungen ausschließlich aus der Sicht des zunächst unbeteiligten Törleß erleben. Törleß wird durch die regelmäßigen Praktiken immer weiter von seinen Kameraden entfernt. Nachdem er weder bei den Lehrern noch bei Philosophen geistige Unterstützung erhält, wird Törleß letztlich von Basini verführt.

Musil macht dabei mehr als deutlich, dass es Törleß‘ Orientierungslosigkeit ist, die ihn angreifbar macht. Von den Taten seiner Kameraden ist er zugleich fasziniert und abgestoßen, ähnliches gilt für das Meiste, was er im Unterricht lernt. Aus allem kann er für sich kein Weltbild ableiten, nicht wie seine Beineberg und Reiting von der wahren „Seele“ der Menschen fabulieren. Immerhin erkennt er die zunehmende Radikalisierung Beinebergs und Reitings in Basinis Folterung. Letztlich bleibt Törleß nichts anderes als Basini davon zu überzeugen, alle seine Verfehlungen zu gestehen, um sich damit aus der Abhängigkeit Reitings und Beinebergs zu befreien. Obwohl Törleß keine Vorwürfe gemacht werden, flieht aber auch er. Das Internat bietet ihm nicht die Bildung, nicht den Umgang, den er braucht – er kehrt zu seinen Eltern zurück.

So leicht sich Robert Musils Roman auch lesen mag, so skandalträchtig dürfte er mit seinen vielen homosexuellen und sadistischen Praktiken im Jahr 1906 gewesen sein. Er ist eine noch stärkere Kritik an dem kaiserlichen Bildungssystem (sowohl in Deutschland als auch in Österreich) als das in der Reclam-Ausgabe häufig erwähnte „Unterm Rad“ von Hesse. Denn hier wird ein Schüler nicht nur auf vermeintlichen Weg in die Elite durch zu starre Institutionen um seine Bildung und seinen Verstand gebracht, sondern es werden zudem Strukturen aufgezeigt, die autoritäres Verhalten und Sadismus geradezu begünstigen.

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