On ira tous au charadis (Sale Bête Band 2 – von Krassinsky und Mazaurette)

images„Wir werden alle ins Katzen-Paradis gehen“ könnte die deutsche Übersetzung des zweiten „Sale Bête“-Comicbandes sein. Der Titel dieses Comics ist Programm. Er setzt die Handlung des ersten Teils fort. Bestiole, das Produkt eines fehlgeschlagenen Versuches, den perfekten Hamster zu erschaffen, erfuhr am Ende des ersten Teils, dass die Katze im Haus, Clarky, ebenfalls sprechen kann. Nun entdeckt er zudem, dass Clarky mit anderen genveränderten Katzen versucht das Katzen-Paradis auf Erden zu erschaffen. Dabei wären Menschen lediglich die Sklaven der Katzen. Schlimmer aber käme es für die Hamster: Sie würden als Futter und als Spielzeug für die Katzen dienen. Für Bestiole ist klar, dass er sein Haustierpartner daran hindern muss, seinen Plan in die Tat umzusetzen.

Wie „Hamster Drame“ lebt „On ira tous au charadis“ von einem unglaublichen Detailreichtum. Viele Nebengeschichten werden in wenigen Bildern erzählt. So verliebt sich Bestiole bei einem Schulauftritt in ein anderes „Monster“ aus der Fabrik oder hilft allein dadurch, dass er sich nahe an einem Bettler aufhält, diesem zu unverhofftem Reichtum durch plötzlich willige Spender. Gerade das letzte Beispiel zeigt das Talent der Autoren in nur einem Bild gesellschaftliche Verhältnisse im Rahmen einer eigentlich an ein jüngeres Publikum gerichteten Geschichte zu kritisieren. Schließlich ist es eigentlich unverständlich, warum Bettler, die mit einem meist schlecht gepflegtem Tier unterwegs sind, mehr Spenden erhalten als andere.
Auch der emanzipatorische Ansatz aus dem vorherigen Teil wird fortgeführt. Zwar bemüht sich der Familienvater auch in diesem Band wieder darum, als Herr der Familie darzustehen. Seine arbeitende Frau ist jedoch diejenige, die zur Not die Zügel in der Hand hat. Als ihre Schwiegermutter zum Beispiel Clarky und Bestiole zu Weihnachten nicht ins Haus lassen möchte, tut sie genau das in dem Moment als sie die alte Frau schlafend wähnt. Während Bestiole in einer anderen Szene im Hamsternet nach den Plänen Clarkies sucht, surft er aus Versehen zudem auf eine Seitensprungwebseite, auf der die Mutter sich nach Alternativen zu ihrem Mann sucht.
Zu den vielen Details gesellen sich außerdem viele Anspielungen auf die Ereignisse des ersten Bandes. Das macht die Geschichte noch einmal interessanter, geht jedoch nie so weit, dass man die Handlung nicht mehr ohne die Lektüre von „Hamster Drame“ verstehen könnte.

Gelungen ist auch, dass die Probleme der genetischen Veränderung von Haustieren noch einmal aufgegriffen werden. Diesmal geschieht das durch die Mutter des Familienvaters. Sie lehnt Clarky und Bestiole ab, weil sie genetisch verändert sind. Für sie klingt das nach einer Perfektionierung eines nationalsozialistischen Traums. Schließlich haben auch die Nazis von der einen, perfekten Rasse geträumt. Wenn jetzt also eine Fabrik tausendfach dieselbe Art Katze produziert, bloß weil sie vermeintlich perfekt ist, dann ist das aus ihrer Sicht ein Irrweg. Diese Handlung stimmt nachdenklich. Schließlich ist auch in der Realität die Züchtung darum bemüht, möglichst ideale Haustiere zu erschaffen. Und natürlich möchte man zu Hause ein pflegeleichtes und kein kompliziertes Tier haben.

Wie auch im ersten Teil schwächelt der Roman zum Ende. Das liegt aber hautpsächlich daran, dass die einzigartige, durch viele Details erzeugte Stimmung des Beginns nicht aufrechterhalten werden kann. Schließlich muss Bestiole am Ende den Plan der Katzen verhindern, da bleibt dann nur wenig Platz für Nebenhandlungen. Leider verhindert Bestiole den Plan relativ stereotyp, indem er die Katzen austrickst, ohne dass sie das bemerken.
Am Ende sind jedoch zwei Dinge interessant. Erstens träumt Bestiole davon, dass eine schöne Frau, die in der Fabrik arbeitet und von den Katzen festgehalten wird, weiß, dass er sie gerettet hat und sich dann dankbar zeigt. Das steht im krassen Widerspruch zu seiner Schwärmerei zu einem anderen „Monster“ zu Beginn der Handlung. Das ließ schließlich vermuten, dass Bestiole auch über einen besonderen Schönheitssinn verfügt. Dieser kurze, nur angedeutete Träumerei stellt dies wieder in Zweifel. Zweitens muss Bestiole am Ende auf der Flucht vor Hunden beweisen, dass er schnell und klug ist. Beides hat Clarky ihm zu Beginn des Comics abgesprochen. Mit dieser beinahe letzten Sequenz wird der Geschichte ein schöner Rahmen umgelegt.

„On ira tous au charadis“ ist ein weiterer lesenswerter Comic aus dem „Sale Bête“-Universum. Der Comic überzeugt besonders in der ersten Hälfte mit einer klugen, nachdenklichen und häufig dennoch witzigen Handlung und wartet mit einem ordentlich spannenden und soliden Ende auf.

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