Sunset (von Klaus Modick)
|Lion Feuchtwanger erhält 1956 die Nachricht vom Tode Bertolt Brechts. Während sein alter Freund in Ostdeutschland mit einem Staatsakt, den Brecht vermutlich verachtet hätte, zu Grabe getragen wird, schockiert Feuchtwanger die Nachricht sehr. Er hat Brecht immer als einen Ziehsohn betrachtet und leidet darunter, ihn seit beinahe zehn Jahren nicht mehr gesehen zu haben. Doch in der McCarty-Ära wurde dem Exilanten Feuchtwanger die amerikanische Staatsbürgerschaft nie gegeben, stattdessen wurde er in langen Ausschusssitzungen hingehalten. Aus diesem Grund verließ Feuchtwanger die Staaten nie, aus Angst, sont nicht wieder ins Land gelassen zu werden. Nun, selbst von Alter und Krankheit gezeichnet, beginnt Feuchtwanger nicht nur auf seine gemeinsame Geschichte mit Brecht zurückzublicken, sondern fragt sich auch, ob er nicht in einer Art selbstgewähltem Gefängnis lebt.
Sunset ist ein fiktives Werk, das allerdings laut Aussage des Autors zu großen Teilen auf belegten Aussagen beruht. Modick zeigt damit, wie interessant ein paar Tage aus dem Leben eines alternden Exil-Schriftstellers sein können. Denn Feuchtwangers Gedanken und Reflektionen lesen sich sehr angenehm, an vielen Stellen geradezu spannend.
Dabei ist Feuchtwangers Verhältnis zu Brecht so etwas wie der rote Faden der Geschichte. In jeder Episode, an die Feuchtwanger sich erinnert, erlebt man Brechts Dreistigkeit, die über die Jahre größer zu werden scheint. Dabei überrascht es immer wieder, mit welcher Gelassenheit Feuchtwanger auf die Unverschämtheiten seines Freundes reagiert. So kann er tatsächlich nur mit väterlicher Milde handeln, sonst hätte er an vielen Stellen längst explodieren müssen.
Deutlich wird jedoch auch, dass Feuchtwanger sich seines Erfolges durchaus bewusst ist. Aus diesem Grund hilft er vielen anderen deutschen Migranten, denen es schlechter geht als ihm aus. Es sorgt aber auch für viel Selbstbewusstsein. Feuchtwanger ist stolz auf das, was er geleistet hat, ist sich sicher, dass alles was er macht zu einem Welterfolg wird. Angesichts von Brechts Tod nagen an ihm jedoch die Zweifel. Brecht hat verweigerte Hollywood jedweden Anpassungsprozess. Seine politischen Botschaften gehörten zu seinem Werk. Da Hollywood das nicht passt, verdiente er eben nichts. Wie sehr die Erfolglosigkeit in Amerika Brecht verbitterte, erlebt man in Feuchtwangers Erinnerungen. Nun überlegt Feuchtwanger jedoch, inwieweit der Erfolg, die Massentauglichkeit seinem Werk nicht sogar geschadet haben.
Zumal seine gemäßigte Haltung in vielen Dingen und sein Erfolg in nicht vor einem demütigenden Einwanderungsprozess ohne Ende geschützt haben. Die USA verweigern ihm auch nach Jahren des Aufenthalts noch die Staatsbürgerschaft. Feuchtwanger soll sie bis zum Ende seines Lebens nicht erhalten, muss sich stattdessen durch abstruse Verhöre arbeiten. Das nagt an ihm genau so wie seine Impotenz, die durch die Behandlung eines Prostatakrebses verursacht wurde.
In dieser Situation wird das Schreiben geradezu zu einer Besessenheit. Alles was Feuchtwanger in seinem Haus sieht, setzt er in Zusammenhang mit seinem derzeitigen Werk. Die Erinnerungen zeigen dabei, dass dieser Arbeitsstil in der Vergangenheit nicht so dominierend war. Das Schreiben und die Beschäftigung mit der Vergänglichkeit wird zum Lebensmittelpunkt für einen Mann der selbst vergeht. Der Einblick in dessen Gedanken lässt einen Feuchtwangers Drang zum Schreiben genau so überzeugend spüren wie seine Trauer um Brecht und seine Gefühle gegenüber anderen deutschen Migranten. Das ist kurzweilig und lässt einen mit Einblicken in die deutsche Schriftstellercommunity in Amerika während der Kriegszeiten zurück.