James P. Crow (von Philip K. Dick)

Während Donnie Parks das erste Mal von einem Roboter darauf aufmerksam gemacht wird, dass er gesellschaftlich unter diesem steht, erfährt sein Vater Edgar Parks, dass es tatsächlich einen Menschen gibt, der in den Reihen der Roboter arbeitet. Nach dem großen Weltkrieg, der die Erde zerstört hat, haben die in diesem Krieg geschaffenen Roboter die Herrschaft übernommen. Sie redeten den Menschen ein, sie seien es, die die Menschen geschaffen hätten. Aus Fairnessgründen gibt es für jeden Job Einstellungstests. Kein Mensch hat je einen Test für einen richtigen Job geschafft. Erst zu Beginn der Kurzgeschichte erfährt Edgar Parks von James P. Crow, der es geschafft hat. Dabei hat Crow nur getrickst: Mit einem Zeitfenster kann er in die Vergangenheit und die Zukunft sehen. So erfuhr er die Wahrheit über die Roboter und konnte zudem die Ergebnisse der Einstellungstests vorhersehen. So arbeitet er sich in der „egalitären“ Hierarchie nach oben und kann am Ende die Roboter erpressen, die Erde zu verlassen. Allerdings bleibt am Ende unklar, welche Regierungsform die Menschen übernehmen werden. Vermutlich wird Crow sein Fenster dazu nutzen, seine eigene Macht zu stabilisieren.

Dick gelingt es auch in dieser Kurzgeschichte bereits auf den ersten zwei Seiten eine düstere Zukunftsgesellschaft zu zeichnen. Die Menschheit hat einen vernichtenden Krieg gefochten und ist nun unter der Herrschaft ihrer eigenen Kreaturen. Einzig als Dienstboten oder Roboterentertainer können Menschen noch arbeiten. Die wirkliche Kontrolle haben einzig und allein Roboter. Diese sind andererseits aber dafür verantwortlich, dass die Erde nach dem grausamen Krieg wieder aufgebaut werden konnte. Außerdem haben sie eine stabile Regierungs- und Gesellschaftsform erstellt. Frieden und Sicherheit wurden hier also mit Unterdrückung und Frieden erkauft.

Obwohl die Gesellschaft formell egalitär ist und jeder die gleichen Chancen hat, können doch nur einige wenige regieren. Das ist eine direkte Kritik an realsozialistischen und kapitalistischen Verhältnissen. In beiden Systemen wird schließlich propagiert, jeder hätte die gleichen Chancen. Letztlich sind die Starvoraussetzungen jedoch immer so unterschiedlich, dass die meisten bestimmte Positionen nie erreichen werden können.

Crows Plan bleibt bis zum Ende unklar. Viel Handlung gibt es nicht in der Kurzgeschichte. Stattdessen wird die Situation, etwas untypisch für Dick, in längeren Dialogen ausgebreitet. Es gibt die Gleichheitspartei, in der sich Roboter für Menschenrechte einsetzen. Mit dieser muss Crow diskutieren. Außerdem diskutieren die Menschen untereinander und Crow dann noch einmal im Rat der Roboter. Das ist auf dem knappen Umfang der Geschichte relativ viel Diskussionsstoff und sorgt dafür, dass die Kurzgeschichte kein besonders hohes Erzähltempo aufweist.

Crow kann seinen Plan geradezu spielend leicht umsetzen. Er hat alles perfekt geplant, kann die Roboter komplett überraschen. Doch es ist kein Happy End, das Dick seinem Leser bietet. Stattdessen verbleibt ein Schatten über der Geschichte. Denn zurecht fragt am Ende ein Roboter, wie sich die menschliche Gesellschaft nun denn entwickeln werde. Crow antwortet darauf nichts, schweig lediglich mit einem festen Gesichtsausdruck. Der Leser weiß aber, dass die Menschheit sich nach dem fatalen Krieg nicht weiterentwickelt hat. Im Gegenteil: Es gibt keine Erinnerungskultur an diesen Krieg, die eine gemeinsame demokratische Kraftanstrengung ermöglichen würde. Außerdem wird Crow wohl dem Machtstreben erliegen und die Menschheit von einer Abhängigkeit in die neue führen. Das einzig positive von Crows Plan ist also, dass die Menschheit sich jetzt wieder selbst unterjochen kann und dafür nicht mehr auf ihre eigenen Kreaturen angewiesen ist.

„James P. Crow“ ist eine gute, aber weder besonders spannende noch übermäßig nachdenkliche Geschichte. Angenehm ist, dass es sich bei „James P. Crow“ nicht um eine plumpe Warnung vor dem Einsatz intelligenterer Maschinen handelt. Stattdessen zeigt Dick, die Schwäche vermeintlich egalitärer Systeme und verdeutlicht, in dem er die reale Unterdrückung einer freien Menschheit durch Roboter darstellt, wie Eliten, vor allem im Kalten Krieg, den Rest der Welt in Atem gehalten haben.

„James P. Crow“, 25 Seiten, 1953, erschienen unter anderem in der Anthologie „Variante Zwei“ im Haffmans Verlag.

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