Hochstapler (von Philip K. Dick)

Spence Olham arbeitet an einem Projekt von höchster Bedeutung im Krieg gegen die Außerirdischen von Alpha Centauri. Seine Arbeit strengt ihn sehr an, er möchte unbedingt Urlaub machen. Doch als er an einem ganz gewöhnlichen Werktag zur Arbeit aufbricht, wird er von einem Geheimdienstagenten sowie seinem ältesten Freund verhaftet. Die beiden gehen davon aus, dass er durch einen feindlichen Roboter ersetzt wurde und eine äußerst zerstörerische Atombombe in sich trägt. Der Roboter selbst soll gar nicht wissen, dass er kein Mensch mehr ist, die Bombe nur durch ein Kennwort gezündet werden. Daher wird er, ohne selbst zu Wort zu kommen, zum Mond transportiert, damit er dort in seine Atome zerlegt wird. Durch einen Trick gelingt Olham die Flucht, auf der Erde möchte er die Beweise dafür sammeln, dass er tatsächlich ein Mensch ist. Doch seine Frau wird bereits observiert. Also bleibt ihm nichts anderes übrig als nach dem bestätigten Roboter zu fahnden. Kurz bevor er geschnappt wurde, findet er das Wrack des Roboters inklusive dem zerstörten Maschinenwesen. Alles klärt sich auf, mit großen Worten entschuldigt man sich bei Olham. Die Idylle bricht in sich zusammen, als Nathan, Olhams bester Freund, herausfindet, dass die Roboter-Leiche in Wirklichkeit Olhams Leiche ist. „Aber wenn das Olham ist, dann muß ich“, stottert Olham und löst mit diesen Worten die Bombe in seinem Bauch aus, die zu einer Explosion führt, die man bis nach Alpha Centauri spüren kann.

„Hochstapler“ ist eine atemlose Kurzgeschichte. Sie beginnt mit der Schilderung des verständlichen Wunsches nach Idylle in der Natur in Zeiten des Krieges. Doch der Wald, zu dem Olham aufbrechen möchte, ist längst abgebrandt. Nach der Bandursache wurde nicht gefahndet, schließlich konzentrieren sich alle Behörden auf die Kriegsanstrengungen. Bereits diese erste Seite zeigt dem Leser, dass die menschliche Gesellschaft total auf den Krieg ausgerichtet ist.

Insofern passt es sehr gut ins Bild, dass in dieser Gesellschaft keine Rechtsstaatlichkeit vorherrscht. Ein Prozess wird nicht einmal in Betracht gezogen. Indizien weisen auf eine Gefahr hin, diese Gefahr wird beseitigt, obwohl theoretisch Zweifel bestehen müsste. Aber die totale Fokussierung auf den Krieg in Verbindung mit großer Angst machen es den Akteuren unmöglich, auf solche Zweifel zu achten oder gar zu hören. Olham verschlägt es angesichts der Tragweite der Beschuldigungen erst einmal die Sprache. Erst auf dem Mond ist er wieder in der Lage, klare Sätze zu formulieren. Das ist etwas schwach, verhindert aber ein pathetisches und langes Plädoyer für sein Leben. Stattdessen lässt Dick den Leser an den Gedanken Olhams Teilhaben. Darin vergibt dieser seinen Verfolgern, da sie hauptsächlich von ihrer Angst gesteuert sind und gar keine andere Chance haben, als so zu handeln wie sie handeln. Dieser Moment ist stark, lässt er den Leser doch auch Sympathien für die Gegenseite empfinden und zudem erfahren, wie gefährlich Angst sein kann.

Trotzdem hegt der Leser natürlich Sympathien für Olham. Die Möglichkeit, dass er tatsächlich ein Roboter ist, besteht natürlich. Aber da er sich ja aktiv darum bemüht, Beweise für seinen menschlichen Körper zu produzieren, kann er eigentlich nur ein Mensch sein. Bei dem geplanten Röntgenverfahren wäre ein Roboter schließlich sofort entdeckt worden. Es spricht daher sehr für die Intelligenz der Außerirdischen, dass sie ihren Roboter dazu programmiert haben, unbedingt seine menschliche Existenz zu bestätigen. Denn da dies automatisch scheitern muss, wird das Kennwort für den Zünder der Bombe nicht von außen herangetragen, sondern von dem Roboter selbst ausgesprochen. Ein schwer zu durchkreuzender Plan, der auf den Selbsterhaltungstrieb eines menschlichen Bewusstseins, schließlich übernimmt der Roboter alle Denkschemata Olhams.

Damit stellt sich am Ende natürlich die Frage, ob die Angst in dieser Situation nicht sogar berechtigt war. In Wirklichkeit lenkt diese Thematik jedoch von der Kernaussage ab. In einer Gesellschaft, die alle Ressourcen auf das Kriegshandwerk konzentriert hat, gibt es schlicht keine Möglichkeit mehr einen wahren Menschen zu erkennen. Die dafür notwendigen Kriterien und die dafür notwendige Zeit sind schlicht nicht vorhanden. Im totalen Krieg ist Menschlichkeit nicht mehr zu erkennen. Das zeigt diese spannende Kurzgeschichte auf beeindruckende Weise.

Hochstapler, 20 Seiten, 1953, erschienen unter anderem in der Anthologie „Variante Zwei“ aus dem Haffmans Verlag.

 

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