Das Parfüm (von Patrick Süskind)
|Jean-Baptiste Grenouille wird 1738 neben einem stinkenden Fischstand geboren. Seine Mutter möchte ihn mit Fischresten im Abfall sehen, wird dabei jedoch geschnappt. Sie wird hingerichtet, doch Grenouille kommt in ein Heim. Dort macht er allen anderen Kindern und auch den meisten Pflegemüttern und Mönchen so viel Angst, dass er letztlich in einem Heim mit einer gefühlskalten Frau landet. Er wird fair behandelt, Liebe aber erfährt er sein ganzes Leben nicht. Stattdessen entwickelt er eine einzigartige Fähigkeit: Er kann Gerüche erkennen, unterscheiden und sammeln. Rasch macht er sich daran, Gerüche zu erzeugen, geht bei Meister-Parfümeuren in Lehre. Dabei ist er generell weiser als sein Meister und immer auf der Suche danach, den perfekten Duft zu erschaffen. Als er nach einer Lehre und langen Jahren der Einsamkeit wieder seine Tätigkeit aufnimmt, riecht er, dass dieser Duft nur über den Tod einiger Menschen zu erschaffen ist.
Süskinds Erfolgsroman ist gut zu lesen. Man kann den Roman wie einen ordentlichen Krimi lesen, bleibt dann an wenigen Stellen hängen. In diesem Fall hat man eine Art Monster mit einer besonderen Gabe, dem Gefühle völlig fremd sind. Einzig der Verlust einiger Gerüche können bei ihm emotionale Emotionen hervorlocken. Dazwischen gibt es immer wieder bitterböse, aber komische Elemente. So stirbt eigentlich jeder Mensch, der in irgendeiner Art mit Grenouille näher in Kontakt kommt. Einige Tode sind dabei recht abstrus (wie zum Beispiel eine einstürzende Brücke). Lediglich seine Pflegemutter, die sich einen frühen Tod erhofft hat, stirbt erst im sehr hohen Alter. Das liest sich ganz nett, ist aber nicht übermäßig spannend.
So grausam Grenouilles Taten sind, so faszinierend ist seine Begabung Gerüche einzuordnen. Für ihn ist es das einzige Wertesystem, das er in einer Welt, die nicht in der Lage war, ihm Moralvorstellungen zu vermitteln, kennengelernt hat. Das ist tragisch, da er im Streben, dieses System zu perfektionieren, automatisch Menschenleben zerstören muss, um ihre Duft festzuhalten. Dabei sind seine Taten geradezu grausam, da er ohne großes Zögern 26 Frauen tötet. Gleichzeitig ist er sich selbst keiner Schuld bewusst. Bereits der erste Mord geschieht, ohne dass Grenouille seine Tat in irgendeiner Weise in Frage stellt.
In „Das Parfüm“ erlebt der Leser also eine, vom Autor häufig ironisch kommentierte, Perspektive auf die Gesellschaft des 18. Jahrhundert, die komplett außerhalb dieser angesiedelt ist. Trotzdem kann man Grenouille nicht alle Zugehörigkeit zu der menschlichen Gesellschaft absprechen. Mehrfach zeigt sich nämlich, das er ein Kernelement des menschlichen Handelns geradezu perfekt beherrscht. Er durchschaut sein Gegenüber recht schnell und ist in der Lage es zu manipulieren. Ja, sein ganzes Duftarsenal dient ihm am Ende dazu, seine Mitmenschen zu manipulieren. Dieses urmenschliche Streben nach Macht und Kontrolle über andere, zeigt am deutlichsten, dass Grenouilles Taten doch grausam sind. Denn wer eine Art Machtstreben entwickeln kann, der wäre theoretisch auch in der Lage den Wert des Lebens zu bestimmen.
Leider führt Grenouilles Gleichgültigkeit dazu, dass dem Leser selbst die Geschichte etwas gleichgültig ist. Natürlich ist es interessant, wie sich die Geschichte. Und natürlich sind die meisten Schilderungen grausam. Aber da Grenouille nicht wirklich an seinem Leben hängt und mit einem unglaublichen Selbstbewusstsein seinen Plan verfolgt, zittert man an den wenigsten Momenten wirklich mit ihm mit. So unterhält „Das Parfüm“ den Leser ordentlich und bleibt der Länge des Wikipedia-Artikels nach auch eine große Quelle für Literaturwissenschaftler, hinterlässt aber – abgesehen von den ersten Gerüchen nach der Lektüre – keinen besonders prägenden Eindruck.