Dantons Tod (im Thalia Theater)
|Der Vorhang hebt sich, unter lauter Musik drehen die Darsteller des Stücks eine große, in vier Teile, die in sich wiederum in Hälften unterteilt sind, getrennte Kugel. Die Erde wird von der Gemeinschaft in Bewegung gesetzt. Die Arbeit erscheint hart, doch gemeinsam dreht sich die Kugel schnell. Die Musik jedoch verhindert, dass man die Worte der Schauspieler versteht. Dieser Einstieg wirkt nicht nur sehr beeindruckend, sondern gibt bereits das Thema dieser Inszenierung vor.
Zum Startpunkt von Büchners Stück hat die französische Revolution beinahe ihre Hochphase erreicht. Die Anhänger Dantons erkennen, dass der Terror der Jakobiner irgendwann enden muss. Sie plädieren dafür, die Willkürherrschaft und die Exekutionen zu beenden. Robespierre und sein Anhänger St. Juste sind dagegen. Für sie kann die Tugend nur mithilfe der Guillotine gewinnen. Insofern planen sie bereits die nach Blut schreienden Massen dazu zu benutzen, auch Danton und seine Anhänger hinzurichten, damit ihrer Terrorherrschaft niemand mehr im Weg steht. Danton könnte sich dagegen wehren. Doch er ist müde und enttäuscht, er glaubt nicht mehr daran, dass er als einzelner Mensch den Strom der Gewalt aufhalten kann. Erst spät verteidigt sich Danton, gewinnt die Massen, um sie durch einen Trick St. Justes wieder zu verlieren, wodurch er am Ende mit seinen Anhängern hingerichtet wird.
Der Fatalismus Dantons wird in der Thalia-Inszenierung sehr deutlich. Gleichzeitig vertritt er die Position, das Leben müsse genossen werden. Außerdem glaubt er nicht daran, dass die Gegenseite es überhaupt wagen würde, gegen ihn vorzugehen. Bekanntlich ist dies ein krasser Irrtum. Leider sorgt Dantons Resignation, dass wenig Aktion im Stück vorkommt. Stattdessen dominieren endlose Gespräche das Stück.
Bei seiner Dramatisierung der französischen Revolution verarbeitete Büchner viele Zitate der im Drama auftretenden historischen Persönlichkeiten. Sie sind zwar meist aus dem Zusammenhang gerissen, geben dem Stück aber (in engem Rahmen) einen dokumentarischen Charakter. Von Beginn an, werden Monologe mit Musik unterlegt. An bestimmten Stellen bitten die Schauspieler darum, doch einmal ohne Musik sprechen zu dürfen. Die Aussage wird aber bereits dort deutlich: Im Stück ist es egal, wie argumentiert ist. Die Welt wurde in Bewegung gesetzt, so einfach ist sie, schon gar nicht mit Worten, aufzuhalten. Dabei befinden sich die Charaktere mal oben, mal unten auf der Kugel, bis sich die Dantonisten am Ende am Boden befinden.
Dieses Motiv wird immer weiter gesteigert, sodass Dantons Prozess, der in einem großen Streitgespräch zwischen Robespierre und Danton mündet, letztlich von Schlagzeugmusik übertönt wird. Denn während der eine redet, spielt sein Konkurrent Schlagzeug. Auch hier sind die Worte nichts, die Dynamik alles.
Wenn man Robespierre in der Inszenierung einmal ohne Musik näher kommt, so entdeckt man eine schwache und unsichere Persönlichkeit, die sich von St. Juste lenken lässt. Gegenüber Danton tritt er hart, gegenüber dem Volk tugendhaft auf. Von St. Juste lässt er sich aber in kürzester Zeit dazu überreden, Danton und seine Anhänger zu töten, obwohl er das zunächst gar nicht vorhat. Dass diese Standpunktsschwäche, die sich hinter unverständlicher Verklausulierungen verbirgt, so großen Terror auslösen kann, macht das Stück etwas erschreckender.
Immer wieder fallen die Schauspieler ein wenig aus ihrer Rolle. Erwähnt wurde das bereits bei der Musik. Am auffälligsten ist es aber bei dem Darsteller Camilles, der inmitten des Stückes zu einer Rede über den Hunger in der Welt ansetzt. Diese entwickelt sich in kürzester Zeit zu einer wahren Publikumsbeschimpfung. Sicher hat er hier ganz recht, wenn er anmerkt, dass die meisten (klassischen) Theaterbesucher sich im Theater für Gerechtigkeit begeistern lassen, diese Gefühle in der Konfrontation mit der Ungerechtigkeit der Realität aber wieder vergessen. Dennoch wirkt dieses Plädoyer ein wenig zu belehrend, sodass man froh ist, dass seine Gattin Loucile ihn wieder ein wenig an seine Rolle erinnert.
Abgesehen davon ist die Inszenierung aber sehr gelungen, vor allem das Bühnenbild mit der Kugel und die musikalische Begleitung sind sehr gut eingesetzt. Büchners fatalistische Einstellung gegenüber den Möglichkeiten einzelner (vernünftiger) Menschen ist hier sehr gut zu spüren, während man gleichzeitig anhand Robespierre die Macht sich hinter Grausamkeit und Worten versteckenden, von prinzipienlosen Menschen spüren kann.