Konzepte und Visionen statt Konstellationsspekulationen

Die Grüne Basis hat am Wochenende entschieden, mit welchem Duo sie in den Bundestagswahlkampf 2013 ziehen möchten. Die Wahl Kathrin Göring-Eckhardts neben Jürgen Trittin hat die deutsche Presse dazu bewogen, ihr Lieblingsspiel aufzunehmen: Koalitionsspekulationen.

Natürlich ist es wichtig, dass der Wähler ungefähr weiß, welchen Partner er mit seiner Stimme eventuell in die Regierung mitwählt. Deswegen ist es äußerst berechtigt, die Neigung einiger Grüner zu schwarz-grün zu verdeutlichen. Denn nachdem in vielen deutschen Kommunen bereits (aus ihrer eigenen Perspektive!) sehr erfolgreich und häufig konfliktfrei gearbeitet haben, hat dieses Konzept für viele Mitglieder beider Parteien ihren Schrecken verloren. Gleichzeitig befinden sich die Gründen seit nunmehr sieben Jahren in der Opposition. Da liegt es nahe, dass sie zur Not auch in den Sauren Apfel schwarz-grün beißen würden. Das gilt übrigens eben so für die Sozialdemokraten. Anders als es Wolfgang Kubicki in der Heute-Show gesagt hat, wurde die Große Koalition von Peer Steinbrück lediglich unter seiner Beteiligung, nicht aber für die SPD an sich ausgeschlossen.

Trotzdem ist die Fokussierung auf Farbenspiele einmal mehr ärgerlich. Die Aufklärungsfunktion, die die Spekulationen theoretisch haben könnten, ist längst nicht mehr nötig. Die Verbürgerlichung der Regierung wurde mittlerweile zur Genüge von der Presse breit getreten. Außerdem verkennen die Farbenspiele zwei Fakten. Erstens verkennen diese Spekulationen, dass in Deutschland die Parteien in ihren Positionen so nah beieinander liegen und gleichzeitig zu verhandlungswillig sind, dass grundsätzlich viele Konstruktionen möglich wären. Anders als in den äußerst polarisierten USA, geht man hier relativ respektvoll miteinander um, was eine spätere Zusammenarbeit offen lässt. Traurige Ausnahme bietet hier die Linke, die sich in großen Teilen noch immer als Totalopposition versteht. Zweitens sorgen aber die ständigen Spekulationen der Presse dafür, dass über Inhalte im Wahlkampf gar nicht geredet wird. Stattdessen bleibt es bei einem wirklichkeitsfremden Diskurs, der das Land in keiner Weise voranbringt.

Deutschland bräuchte nach sieben Jahren Gemeinsamkeit wieder einen ordentlichen Lagerwahlkampf nach deutscher Art. Das bedeutet, wie 2005 einen Wahlkampf, der zwei Alternativen bietet, gleichzeitig aber nicht so scharf geführt wird, dass am Ende nicht eine Koalition über die Lagergrenzen hinweg entstehen könnte. Wenn es dieses Mal eben die Grünen sind, die mit der CDU koalieren, ist es eben so. Wichtiger ist, dass der Wahlkampf zuvor nicht wie Merkels asymmetrische Demobilisierungsstrategie 2009 geführt wird. Anstatt über Personen und Konstellationen sollte wieder über Konzepte und Visionen geredet werden. Dabei müssen endlich mal wieder Unterschiede zwischen den sich selbst als konservativ-liberal und progressiv-links verstehenden Lagern deutlich gemacht werden. Nur so können mit etwas Glück auch mal wieder mehr Wähler von der Politik angesprochen werden. Dafür müssen aber auch Konzepte erarbeitet werden.

In Schweden haben die Sozialdemokraten 2010 ein Bündnis mit Grünen und Linkspartei gebildet, um die Konservativen von den Machtzentren zu verdrängen. Gemeinsam erarbeitete man Konzepte und stimmte die Wahlprogramme eng miteinander ab. Das war ein beachtlicher Aufwand, doch das Linksbündnis scheiterte knapp. Die Sozialdemokraten wurden zwar stärkste Kraft, Grüne und Linke konnten jedoch nicht genügend Stimmen mitbringen, um die Konservativen und deren Bündnispartner zu überrunden. Aufgrund des Einzuges der schwedischen Rechtsradikalen ins Parlament, hatten aber auch die Konservativen keine Mehrheit. Die daraufhin gebildete konservative Minderheitsregierung wurde von den Grünen, zuvor Teil des Linksbündnisses, unterstützt. Im Gegenzug wurden einige Grüne Programmpunkte in das Regierungsprogramm aufgenommen. So sollte ein Wahlkampf auch hier ablaufen: Zwei inhaltliche Alternativen stehen zur Wahl. Wenn es aber für eine nicht reicht, muss halt eine Koalition über Lagergrenzen hinweg gebildet werden. Aber nur wenn man vorher die eigenen inhaltlichen Ansätze formuliert und kommuniziert hat, können diese dann auch in eine große oder schwarz-grüne Koalition getragen werden.

Klar, dass Sigmar Gabriel die Grünen auffordert, sich zu rot-grün zu bekennen, entspringt parteitaktischem Kalkül. Auf so eine Aussage sollte aber auch endlich ein Konzept, eine Begründung folgen, warum rot-grün ab 2013 dieses Land regieren muss. Diese Begründung muss über „höhere Steuern, mehr Gerechtigkeit und Freude für alle“ sowie andere Floskeln hinausgehen. In weniger als einem Jahr ist Bundestagswahl, eine gemeinsame Alternative zur inhaltslosen Union steht leider noch immer nicht.

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