2013: gesellschaftliche Modernisierung?

Die sozialistische Partei Frankreichs stritt in den vergangenen Tag über zwei Wahlversprechen ihres Präsidenten Hollande. Im Wahlkampf hatte dieser sich dafür eingesetzt, die gleichgeschlechtliche Ehe einzuführen und Ausländern, die seit einer bestimmten Zeit in Frankreich leben, das Wahlrecht zuzugestehen. Während die erste Maßnahme von der katholischen Kirche und der rechten erwartungsgemäß rigoros abgelehnt wird, besitzen die Sozialisten für die zweite nicht einmal die notwendige verfassungsändernde Mehrheit in den Parlamentskammern. Ein verfassungsänderndes Referendum erscheint angesichts der derzeitigen Stimmung in Frankreich zu riskant. Dennoch bescheinigen Umfragen, dass die Mehrheit der Bevölkerung hinter den beiden Maßnahmen steht. Daher entbrannte nun ein Streit darüber, ob man die beiden Ziele weiterhin aggressiv verfolgt oder sie hinter wirtschaftspolitischen Maßnahmen, zurücktreten lässt.Die Debatte verdeutlicht, dass Frankreichs Sozialisten nicht allein wegen der Unzufriedenheit über den ehemaligen Präsidenten Sarkozy und für ihre Wirtschaftspolitik gewählt wurden. Auch ihre gesellschaftlichen Modernisierungsansätze trafen einen Nerv.

Linke Parteien werden, zumindest in der Bundesrepublik, immer dann gewählt, wenn sich ein Reformstau angesammelt hat. Das war nach 16 Jahren Kohl die Lage und auch 1969 wurde die SPD vor allem mit einem Reformprogramm gewählt. Reformmöglichkeiten gibt es auch im Bundestagswahlkampf 2013 zur Genüge. Das bereits von dem Kandidaten Steinbrück ausgearbeitet Bankenprogramm steht dabei gleichwertig mit dem Konzept der Bürgerversicherung und dem sozialdemokratischen Steuerkonzept. Leider sorgt die Debatte um die Nebeneinkünfte Steinbrücks dafür, dass über die politischen Ideen kaum noch diskutiert wird.

Dabei müsste sich die SPD jetzt zusätzlich auch noch die Frage stellen, welche Modernisierungsbotschaften sie eigentlich senden möchte. Denn 1969 versprach die SPD nicht nur Reformen, sondern auch einen gesellschaftlichen Aufbruch, der seitdem viel zitiert wurde („Mehr Demokratie wagen“). Und auch wenn es gerne übersehen wird, modernisierte auch die rot-grüne Bundesregierung unter Gerhard Schröder die Gesellschaft mit Maßnahmen wie dem Anti-Diskriminierungsgesetz. Die Modernisierungsschübe kosten den Staat meist wenig Geld, sind dafür aber politisch außerordentlich umstritten – Stimmen von der Opposition, wie es bei der Eurorettung häufig der Fall ist, kann man dabei also nicht erwarten.

Die SPD muss ihre Forderungen in diesem Bereich im nächsten Jahr noch etwas zuspitzen. Die Frauenquote für Aufsichtsräte ist ein wichtiger Punkt. Wie aber steht man zu der gleichgeschlechtlichen Ehe und anderen gesellschaftlichen Fragen? Bezieht man hier klare Position, besteht das Risiko, Wähler zu verlieren. Bezieht man keine Position, wird, selbst im Falle eines Wahlsieges, gesellschaftlich wohl so wenig Bleibendes entstehen wie während der nun bereits drei schwarz-gelben Jahre. Eine klare Positionierung, vor allem des Kandidaten, würde daher das Profil schärfen und die politische Diskussion mit etwas Glück wieder etablieren.

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