Zerstört (von Karin Slaughter)

Die Polizistin Lena Adams besucht ihre Heimatstadt, weil sie sich um ihren Onkel Hank Sorgen macht. Das stellt sich als großer Fehler heraus. Zwar gelingt es ihr, den ehemaligen Drogen- und Alkoholsüchtigen aus einer Notsituation zu befreien, gleichzeitig lockt sie damit jedoch auch die Aufmerksamkeit eines Drogenrings auf sich. Wenig später wird Polizeichef Jeffrey, begleitet von seiner genervten Frau, der Kinderärztin und Pathologin Sarah, in die Stadt gerufen: Lena wurde neben einem in Brand gesetzten Auto inklusive Leichte gefunden. Nun steht sie unter Mordverdacht. Jeffrey möchte das mit einem Gespräch klären, doch Lena verweigert sich jedem Ansatz und flieht aus dem Krankenhaus, in dem sie festgehalten wird. Auf der Suche nach der Wahrheit trifft Jeffrey mit seiner Frau auf immer mehr Abgründe der Kleinstadt. Da er Lena unbedingt retten möchte, sucht er immer weiter und bringt sich selbst damit in große Gefahr.

„Zerstört“ ist der letzte Teil der Krimi-Reihe um Grant County, Jeffrey, Sarah und Lena. Es ist gleichzeitig auch der härteste Roman. Wieder einmal spielt der Roman nicht in dem überschaubaren Grant County, in dem ebenfalls schreckliche Verbrechen geschehen sind. Stattdessen ist er zum zweiten Mal in einer noch überschaubareren amerikanischen Kleinstadt angesiedelt. Diese wirkt einmal mehr unglaublich düster und fest in der Hand der Drogenproduzenten.

Der Leser weiß, dass Lena Adams unschuldig ist. Das ist etwas schade, denn die Polizistin ist der einzige Hauptcharakter, der nicht fest auf der Seite des Guten verankert ist. Ihr wäre eine tödliche Überreaktion durchaus zuzutrauen. So ist für den Leser aber eindeutig klar, wer auf der Guten spielt. Die Bösen kann man daher recht rasch erahnen. Selbstverständlich bietet Slaughter in dieser Hinsicht noch mit ein paar Überraschungen auf. Nichtsdestotrotz nervt es auf Dauer ein wenig, dass ein Charakter, von dem man weiß, dass er helfen könnte, sich jeder konstruktiven Mitarbeit verweigert.

Zudem erhält man den Eindruck, dass diese Arbeitsverweigerung hauptsächlich dazu dient, den Roman zu verlängern. Denn während Jeffrey in einem Wespennest herumstochert und sich und seine Frau dabei in Gefahr bringt, erfährt man in den anderen Kapiteln, was Lena einige Tage zuvor in der Stadt getan hat. Es ist also nicht so, dass Jeffrey das herausfindet, sondern es wird dem Leser ausführlich aus Lenas Perspektive geschildert. Diese doppelte Erzählweise wirkt etwas unnötig.

Im Ausgleich dafür ist die Haupthandlung einmal mehr äußerst spannend. Außerdem erregt Slaughter viel Mitgefühl für den Teil Amerikas, der scheinbar vollständig in der Hand skrupelloser Drogendealer sind. Dazu stellt sie die miserable Ausstattung der Polizei und auch die Korruption der Polizei dar, die jedwede Ermittlungen gegen die Drogenhändler für einzelne Polizisten zur Selbstmordmission machen.

Daher wirkt es am Ende einmal mehr unglaublich, dass Jeffrey tatsächlich einen Fahndungserfolg erzielt und einen Drogenring aufliegen lässt. Dabei muss er sich viel mit amerikanischer Nazi-Symbolik auseinandersetzen und unter anderem auch mit Lenas unsympathischem und kriminellem Ex-Freund Ethan Green auseinandersetzen. All das überleben Jeffrey und Sarah zuletzt in einem knappen Finale nur knapp, aber sie überleben es. Das bietet Karin Slaughter die Bühne, um ihre realistische, kritische und äußerst spannende Serie auf wenigen Seiten in einem Epilog zu beenden. Dort wartet einer der brutalsten und sinnlosesten Tode, die ein Hauptcharakter wohl erleben kann. Das ist schwer zu verdauen, doch Slaughter bleibt dabei hauptsächlich ihrem Realismus treu. Es wäre ja auch merkwürdig, wenn ein Polizist ständig Erfolg bei Ermittlungen hätte, bei denen anderen Polizisten aus Angst vor den Konsequenzen zurückschrecken.

„Zerstört“ ist ein dunkler Krimi, mit ganz wenig lichten Punkten. Zusätzlich zu den hier angesprochenen Themen wird Sarahs Eifersucht und ihre Unfruchtbarkeit, aber auch Lenas komplizierte Familienverhältnisse (und die damit verbundene Familientragödie) ausführlich und sehr gut behandelt. Abgesehen von der Tatsache, dass der Thriller einmal mehr darauf basiert, dass Lena schlicht nicht mit Jeffrey redet, ist „Zerstört“ spannend und dramatisch und in einigen Momenten sogar ganz klug – also genau das, was man von einem Thriller erwartet.

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