Vorahnung (ARD-Radiotatort)

Rothenburg an der Fulda: Ein beschaulicher Ort, in dem kaum Verbrechen passieren. Daher befürchtet der Stellvertreter von Hauptkommissar Niebe, dass die Mordkommission in dem Ort geschlossen werden könnte. Der Familienvater würde dann versetzt werden und müsste sein selbst erspartes Eigenheim aufgeben. Das muss verhindert werden: Er regt eine Bürgersprechstunde an, um durch den Andrang zu zeigen, dass das Revier wichtig ist. In der Sprechstunde werden nacheinander drei aufgeschlitzte und sexuell beschmutzte Puppen abgeliefert. Das Wort vom Puppenmörder macht die runde in dem Örtchen. Als kurz danach ein junges Mädchen ermordet aufgefunden wird, scheint die Farce zu bitterem Ernst geworden zu sein.

Der Radiotatort wird ausschließlich aus der Perspektive von Hauptkommissar Niebe erzählt. Zusätzlich werden alle Szenen von ihm meist zweifach kommentiert. Dabei gibt Niebe einmal bemüht sachlich die Ereignisse wieder, um sie dann mit einer tieferen Stimme in seinen Seelenzustand einzuordnen.
Das ist eigentlich eine ganz gute Idee, schließlich besteht so die Möglichkeit, dem Radiotatortkommissar näher zu kommen. Leider werden bei dieser Methoden zu viele Polizistenklischees bedient. So erfährt man natürlich über die „Good Cop/Bad Cop“-Methode von Niebe, aber auch über seine Gedanken über Frauen und Leichen. All das wirkt äußerst stereotyp, an vielen Stellen kann man genau vorhersagen, was Niebes Unterbewusstsein wohl zu dem Ereignis sagen wird. Die Chancen der Erzählform bleiben somit ungenutzt.

Der Fall selbst ist dafür um so besser. Denn so Klischee belastet Niebes Ich-Erzählung auch ist, sie erhöht die düstere Stimmung. Was zu Beginn mit den Puppen krankhaft, aber absurd wirkte, wird wie erwähnt blutiger Ernst. Niebes Schilderungen der Kinder-Leiche sind so ausführlich, dass einem beim Hören des Krimis beinahe schlecht wird. Gleichzeitig sorgt Niebes depressive Schilderung der Kleinstadt dafür, dass die düstere Stimmung verstärkt wird. Der Kreis der Verdächtigen wird, anders als in vielen anderen Tatorten, nicht übermäßig aufgebläht. So richtig werden überhaupt keine Alternativen zu den (getrennt lebenden) Eltern als Täter aufgebracht. Lediglich der „Puppenmörder“ wird gefasst, scheidet als Mörder jedoch rasch aus.

Die Überführung des Täters ist letztlich so unspektakulär wie die Stadt Rothenburg geschildert wird. Dennoch ist gerade deswegen der Fall so realistisch: Ein brutales Verbrechen, das vom im Affekt handelnden Täter letztlich ohne große Not gestanden wird. Das ist überzeugend.

Da man bis zum Schluss nicht weiß, welches Elternteil schuldig ist, ist der Tatort zudem äußerst spannend. Die dunkle Atmosphäre rundet den Krimi ab. Lediglich die Chancen der Ich-Erzählung hätte man besser nutzen können, ansonsten reiht sich „Vorahnung“ in eine Reihe überzeugender ARD-Radiotatorte ein.

Den Radiotatort kann man noch bis zum 12. November auf der Homepage der Serie herunterladen.

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