SPD: Die mögliche Inszenierung nach einer gescheiterten Inszenierung

Überraschend schnell wurde die Kanzlerkandidat der SPD an diesem Wochenende verkündet. Nach vielen Spekulationen in den Medien und dauerhafter Kritik an der Inszenierung einer Troika, wurde die Kür vorgezogen. Bereits zuvor war bekannt, dass Parteichef Gabriel seine Ambitionen aufgegeben hat. Daher kam beinahe jeder Kommentar zu der sozialdemokratischen Kandidatenriege zu dem Fazit, dass Steinmeier aufgrund seiner breiteren Verwurzelung in der Partei Kanzlerkandidat werden würde, wenn er es wollte. Er wollte nicht, womit Peer Steinbrück übrig blieb. Nun wird freilich viel über eine Hinterzimmerentscheidung geredet. Dabei wurde (der offiziellen Darstellung nach) über gar nichts entschieden, sondern das Feld lichtete sich von selbst. Solange findige Journalisten keine gegenteiligen Nachweise erbringen können, muss man also davon ausgehen, dass aus der Troika nur Peer Steinbrück willig war, Merkel herauszufordern.

Dass diese Entscheidung zunächst zurückgehalten werden sollte, ist verständlich. Schließlich läutet die Benennung des Spitzenkandidaten den Wahlkampf ein und dieser Start will wohl überlegt sein. Man erinnere sich zum Beispiel an Renate Künast die beinahe ein Jahr vor der Landtagswahl in Berlin bereits ihre Ambitionen angemeldet hat und in einem für sie zu langen Wahlkampf langsam aber sicher zerschlissen wurde. Das vergangene Wochenende zeigt daher in erster Linie die Unfähigkeit, der drei Troika-Mitglieder zur Inszenierung. Das ist aber keine Neuigkeit und war schon vorher klar.

Denn das Prinzip der Troika funktioniert lediglich, wenn es regelmäßige Inszenierungen gibt. Sonst bleibt den Medien nichts anderes übrig als über den aktuellen Zwischenstand zu berichten. Steinmeier, Gabriel und Steinbrück vermochten es seit ihrer Teamgründung jedoch nicht, überzeugende Inszenierungen zu liefern. Auf eine Vorstellung ihrer europapolitischen Vorstellungen folgte eine viel zu lange, inhaltslose und ereignislose Zeit. Statt jeden Kandidaten regelmäßig Konzepte vorstellen zu lassen und somit einen wirklichen Wettkampf um Ideen und die Gunst der (Partei)Öffentlichkeit ins Leben zu rufen, wurde entweder mit einer Stimme gesprochen oder es blieb bei der Einführung von Leitanträgen des Parteivorstandes auf dem Bundesparteitag. Ersteres machte es der Öffentlichkeit unmöglich zwischen den Kandidaten zu differenzieren und zweiteres drang leider nicht über die interessierte Parteiöffentlichkeit hinaus.

Erst in den letzten Wochen gab es mit „Gabriels Rentenpapier“ und „Steinbrücks Finanzmarktpapier“ Konzepte, die auch direkt mit einem möglichen Kandidaten verbunden waren. Man stelle sich vor, alle drei Troika-Mitglieder hätten das letzte Jahr mit einem Ideenwettstreit verbracht, der dann jeweils von Parteigremien (oder Parteitagen) bewertet worden wäre. Aber so ist es, aufgrund des bereits erwähnten mangelnden Inszenierungstalents, nicht gekommen. Nicht einmal den Zeitpunkt der Bekanntgabe konnte man sich selbst aussuchen, sondern musste das überstürzt tun.

Nun wird viel darüber geredet, ob Steinbrück eine Chance hat. Da gibt es pessimistische Stimmungen aber auch Artikel à la „5 (10) Gründe warum Peer Steinbrück gewinne kann“. Und natürlich gibt es ganz pfiffige Wahlkampfanalysen, in denen (zum Beispiel auf SpiegelOnline) in der Kategorie „Glaubwürdigkeit“ Angela Merkel ein Vorteil bescheinigt wird, bei „Kompetenz“ wird ein wohlwollendes Unentschieden vergeben, während die „Leidenschaft“ klar von Peer Steinbrück entschieden wird. Das ist ganz nett und unterhält, ähnelt in der Konzeption aber eher dem Lamentieren und Prognostizieren über den Ausgang der SPD-Troika.

Denn um die Erkenntnis zu erlangen, dass ein Jahr vor der Wahl alles offen ist, muss man wirklich kein Experte sein. Vertreter der Regierungskoalition mögen derzeit gerne anführen, dass rot-grün keine Mehrheit hat, in (manchen) Umfragen vielleicht gar hinter schwarz-gelb liegt. Dabei vergessen sie jedoch, dass sie selbst ebenfalls keine klare Mehrheit haben. Nach dem derzeitigen Stand der öffentlichen Meinung sind weder die Opposition noch die Regierung attraktiv. In dieser Situation haben die SPD und Peer Steinbrück nun ein Jahr lang Zeit deutlich zu machen, dass sie (vor allem inhaltlich) die bessere Alternative zu schwarz-gelb sind. Einige Beschlüsse, die das deutlich machen liegen dank der Parteitage seit 2009 bereits vor. Sie wurden bisher eifersüchtig von den Parteigranden gehütet und der Öffentlichkeit kaum zugänglich gemacht (oder erinnert sich jemand an den großen, beschlossenen Antrag zur Jugendpolitik, den die SPD im Parteikonvent im Juni beschlossen hat?). Dabei müssen Inhalte auch verkauft werden und wer könnte das besser als der begnadete Redner Peer Steinbrück?

In der Troika war Peer Steinbrück der einzige Kandidat, der sich selbst ausgiebig inszeniert hat. Man denke allein an den Auftritt mit Helmut Schmidt bei Günther Jauch. Wenn man ihm also Beinfreiheit lässt und er gleichzeitig mit den Parteigremien anstatt gegen sie arbeitet, besteht die Möglichkeit, dass zum ersten Mal seit 2005 wieder ein SPD-Kandidat den inhaltlichen Vorsprung der Partei auch nach außen kommunizieren und inszenieren kann.

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