Gespalten statt versöhnt?

Der EU-Rambo hat wieder einmal zugeschlagen. David Cameron arbeitet mit seiner Konservativen Partei und den Liberalen in Großbritannien fleißig daran, das Land zugrunde zu richten. Die eiserne Sparpolitik hat das Land an den wirtschaftlichen Abgrund geführt, gleichzeitig produziert seine Regierung am laufenden Band Skandale. Die oppositionelle Labour-Partei, 2010 noch geradezu vernichtend geschlagen, führt in Umfragen mit einem unglaublich hohen Vorsprung von bis zu 14 Punkten. Das ist die politische Situation, in der dringend ein Sündenbock gesucht wird. Für die britischen Konservativen ist das kein Problem. Bereits im Januar führte die Labour-Partei in Umfragen mit ähnlichen Werten. Prompt ließ Cameron die Verhandlungen über den Fiskalpakt platzen. Der Fiskalpakt kommt bekanntlich trotzdem. Die 26 anderen EU-Mitgliedsstaaten zeigen: Sie können die Union auch ohne Großbritannien weiterentwickeln. Die europaskeptischen Briten quittierten dies sofort mit einem starken Popularitätsschub. Daher sind Berichte wie gestern in der FAZ, dass David Cameron den EU-Haushalt nicht nur insgesamt reduzieren, sondern auch noch in einen Euro-Länder- und einen Nicht-Euro-Länder-Haushalt aufteilen möchte, kann wohl mit der schwachen Performance seiner Regierung erklärt werden. Cameron muss für ein paar Tage den starken Mann spielen, mal wieder ein paar Verhandlungen verlassen, Prozesse verlangsamen, nur damit am Ende doch alles anders kommt. Das Spiel ist bereits erkannt.

Erschreckend ist hingegen der Satz in dem FAZ-Artikel, laut Diplomaten werde über diese Spaltung in einigen Ländern intensiv diskutiert. Der Artikel schweigt freilich darüber, in welchen Ländern dies diskutiert wird. Klar ist aber, dass diese Entwicklung für die Idee der Europäischen Einigung nicht gut ist. Auch die Sinnhaftigkeit darf bezweifelt werden.

Der Euro sollte die Länder Europas näher zusammenbringen. Er ist aber nur eines von vielen Komponenten des „europäischen Projektes“. Ideen wie die Bewegungsfreiheit oder die EU-Bürgerscahft haben Europa ebenfalls stark verändert. Daher sollte man bei der Euro-Krise auch nicht immer automatisch über eine Krise der europäischen Union sprechen. Natürlich hängt die Union dort mit drin, gleichzeitig verwaltet sie aber die ganze Vielfalt der europäischen Projekte. Die meisten Projekte finden dabei in allen Mitgliedsstaaten statt und sind nicht nur einer Auswahl vorbehalten.

Daher ist der Sinn einer Haushaltstrennung auch äußerst zweifelhaft. Leider bin ich kein Experte des europäischen Haushaltes. Aber die Trennung würde einen Haushalt für die Euro-Länder produzieren und einen zweiten für Großbritannien, Schweden, Dänemark, Litauen, Lettland, Bulgarien, Rumänien, Ungarn, Tschechien und Polen. Das hätte einen Sinn, wenn die Rettungsmaßnahmen des Euros aus EU-Mitteln bezahlt würden.

Das ist aber nicht der Fall. Mechanismen wie der ESM werden von den Mitgliedsstaaten direkt finanziert. Der EU-Haushalt besteht stattdessen aus den fünf Teilen¹: „Nachhaltiges Wachstum“ (Strukturförderung, 44,9%), „Bewahrung und Bewirtschaftung der natürlichen Ressourcen“ (Agrarförderung, 42,3%), „Unionsbürgerschaft, Freiheit, Sicherheit und Recht“ (1,3%), „Die EU als globaler Partner“ (5,7%) und „Verwaltung“ (5,7%). Erst einmal muss man sehr hervorheben, wie klein das Verwaltungsbudget ist. Man müsste sich zum Beispiel fragen, ob Großbritannien nur so wenig des Haushalts für seinen Verwaltungsapparat bezahlt. Zweitens wird deutlich, dass kein einziger Punkt dazu genutzt werden kann, Geld für etwas auszugeben, das ausschließlich Euro-Ländern zugute kommt. Den Nicht-Euro-Ländern entsteht also kein Nachteil dadurch, dass sie in demselben Haushalt sind, wie die Euro-Länder. Zuletzt stellt sich die Frage, ob die ärmeren EU-Länder wie Rumänien und Bulgarien nicht durch eine Trennung gar erhebliche Nachteile hätten, weil in ihrem Haushalt weniger finanzstarke Länder sind als in dem (hypothetischen) Euro-Haushalt.

Eine Trennung hätte also keine offensichtlichen Vorteile für die Nicht-Euro-Länder. Stattdessen wäre sie nur ein Symbol, dass Solidarität heutzutage in Europa keine Rolle spielt. Die Zahlen des letzten Haushalts machen stattdessen überdeutlich, dass die Agrarförderung der Europäischen Union vielleicht etwas reformiert werden sollte, um Platz im Haushalt für sinnigere Investitionen zu machen.

Die britische Populismuswelle wird wahrscheinlich außerhalb der Inseln nahezu unbemerkt abklingen. Solange jemand nicht ein Argument vorbringt, dass eine Trennung der Haushalte Sinn macht, bleibt aber zu hoffen, dass dies nicht ernsthaft diskutiert wird und die (sonst sehr seriöse) FAZ Gerüchten aufgesessen ist. Denn eine Trennung würde Europa spalten, anstatt versöhnen, ohne dass die Briten dadurch einen ersichtlichen Vorteil ziehen würden.

¹Daten basieren auf dem Wikipedia-Eintrag zum EU-Haushalt.
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