Verschwörung gegen Amerika (von Philip Roth)

In dem „was wäre wenn“-Roman „Verschwörung gegen Amerika“ beschreibt Philip Roth die Entwicklung der USA in den Jahren 1940 bis 1942 hätte nicht Franklin D. Rossevelt die Präsidentschaftswahlen 1940 gewonnen, sondern Charles Lindbergh. Der Roman erzählt die Ereignisse aus der Sicht Roths Familie. Lindbergh, der vor allem wegen des ersten Einzelatlantikfluges bekannt ist, fiel gelegentlich mit antisemitischen Äußerungen auf. Daher ist vor allem Roths (fiktiver) Vater gegen ihn voreingenommen, sieht mit seiner Wahl den Faschismus in Amerika nahen. Die Situation verschlechtert sich für die Juden Amerikas nach Lindberghs Wahl, doch große Progrome bleiben aus. Stattdessen wird mehr oder wengier subtil und mit jüdischer Kollaboration daran gearbeitet, die Solidarität in jüdischen Vierteln zu zerstören und die Juden über das Land zu verteidigen. Dadurch können sie nicht mehr als Gemeinschaft agieren. Die politische Spaltung zwischen Lindbergh-Befürworter und -Gegner geht auch durch Roths Familie.

Der Roman kommt sehr langsam in Fahrt. Es dauert eine Weile, bis Lindbergh zum Präsidenten gewählt ist. Dabei ist dieses Ereignis bereits auf dem Buchrücken angekündigt. Für den Leser ist der Weg zu Lindberghs Wahl etwas quälend. Das liegt aber nicht allein daran, dass das Ergebnis bereits bekannt ist. Zusätzlich entsteht der Eindruck, einer vermeidbaren Katastrophe beizuwohnen, an der sich lediglich eine Minderheit stört. Das ist gewollt und gut, zeigt diese Einleitung doch, dass die Ereignisse durch ein kritischereres Wahlvolk hätten verhindert werden können.

Mit Lindberghs Präsidentschaft ändert sich zunächst wenig. Roths Vater erscheint etwas zu verbissen, die Faschismus-Anschuldigungen einiger Juden wirken deutlich überzogen. Dennoch ist dem Leser natürlich klar, dass Lindberghs Anbiederungskurs an Nazi-Deutschland falsch ist. Aber erst mit zwei Programmen wird man endgültig stutzig. Erst werden junge Juden in den amerikanischen Süden geschickt, um den „American Way of Life“ kennenzulernen. Später werden jüdische Arbeiter massenhaft in den Süden versetzt. Während das erste Programm dabei noch vorgibt, sich an alle amerikanischen Jugendlichen zu verwenden, tut das letztere dies gar nicht erst.

So entsteht eine immer bedrohlichere Situation, die ausweglos erscheint. Denn die Amerikaner sind mit Lindbergh zufrieden, er scheint sie vor dem europäischen Krieg zu retten. Den Demokraten und Juden wiederum gelingt es nicht, diese Meinungsführerschaft zu brechen und sich als Alternative zu präsentieren. Der Leser wartet nur darauf, dass die Spannungen zwischen Mehr- und Minderheit ausbrechen und aus den daraus entspringenden Konflikten endgültig offen-repressive Maßnahmen erwachsen.

Doch es kommt anders. Roth rettet sich damit, dass Lindbergh mit seinem Flugzeug, mit dem er regelmäßig auf Wahlveranstaltungen fliegt, einfach verschwindet. Die Situation wird dadurch nicht gelöst, stattdessen entladen sich erst dadurch die Spannungen. Die Ereignisse werden in einem irritierenden, etwas lieblosen Zeitraffer skizziert. Dabei wird eine fantastisch wirkende Verschwörungsgeschichte hinzugefügt. Abgerundet wird das Buch durch einen Rückblick auf die Familie Roth und wie sie die Krisentage verlebt hat. Das ist ebenfalls irritierend. Denn die Spannung ist kaum noch vorhanden, schließlich weiß der Leser bereits, dass am Ende alles gut ausgeht.

„Verschwörung gegen Amerika“ ist ein Roman, der an vielen Stellen Spannungspotential verschenkt. Spannung ist ja aber auch nicht die Hauptanforderung an einen Roman. Stattdessen kann man zu Beginn erleben, wie ein Land sich willig in die (vorhersehbare) Katstrophe stürzt. Populistische Forderungen siegen hier über den (erst im Rückblick geforderten) Kriegseinsatz. Roth möchte damit sagen: Auch in den USA der 40er, mit vielen rassistischen Ansätzen, hätte ein faschistisches Regime, nicht ganz so stark wie anderswo, aber immerhin faschistisch, entstehen können. Dieser Ansatz wird mit einer durch die politischen Ereignisse tief gespaltenen Familie geschildert. Leider ist das Ende zu fantastisch, die Ereignisse vorher zu gemächlich. Die sehr gut geschilderten Familienszenen reichen daher nicht aus, den Roman auf ein lesenswertes Niveau zu heben.

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