Das neue Handbuch des Journalismus und des Online-Journalismus (von Wolf Schneider und Paul-Josef Raue)

Wolf Schneider und Paul-Josef Raue scheinen ihr Handwerk zu verstehen. Das zeigt sich bereits dadurch, dass sie selbst dröge Themen angenehm aufbereiten. Ihr Handbuch zum Journalisten liest sich daher flüssig und gut. An den angesprochenen Themen kann man ebenfalls nicht meckern: Alles wird einmal angesprochen. Und das ist das Problem. Aus diesem Buch hätte man viele einzelne machen können. Bei der Themenfülle und 60 Kapiteln inklusive einiger Pressedokumente im Anhang reichen 462 Seiten einfach nicht aus.

Einen merkwürdigen Schwerpunkt setzen die Autoren beim Online-Journalismus. Gleich im zweiten Abschnitt wird auf diesen Themenbereich eingegangen. Dabei werden die Grundarten des Online-Journalismus skizziert, während die Grundlagen des Journalismus erst später beschrieben werden. Das hätte man umgekehrt präsentieren sollen.

Einen interessanten Schwerpunkt setzt das Handbuch hingegen auf das „Schreiben und Redigieren“. Nach dem Online-Journalismus wenden sich die Autoren nicht dem gedruckten Journalismus zu, sondern erst einmal dem Stil. Das nimmt viel Platz ein und ist sehr angenehm. Danach hat man zwar erst einmal skrupel, im Netz – wie auf diesem Blog – einfach drauf loszuschreiben. Gleichzeitig macht das Kapitel aber auch klar, was Journalismus im Idealfall ausmachen sollte: Das Ringen um die richtigen Wörter. Es geht nicht allein um das Informieren. Und es geht auch nicht darum, den Leser mit komplizierten Formulierungen zu beeindrucken. Sondern es geht darum, ansprechend und sinnig zu schreiben. Das kann gelernt werden, benötigt aber viel Arbeit.

Der Rest des Handbuches reißt Themen eher an, als dass er sie ausführlich behandlet. Es eignet sich auf dieser Art sehr gut für Menschen, die sich mit dem Journalismus bisher nicht auseinandergesetzt haben. Alle anderen werden wenig Neues erfahren. Lediglich an einigen Stellen gerät man ins Nachdenken. So zum Beispiel wenn die Autoren mehr einordnende Analysen fordern. Schließlich denkt man, die gebe es bereits. An einigen Beispielen machen die Autoren jedoch deutlich, dass die bisherigen Analysen hauptsächlich für diejenigen verständlich sind, die mit dem Thema bereits vertraut sind. Da muss dann auch nichts mehr eingeordnet werden.

Es gibt regelmäßig Einblicke und Zitate aus der Praxis. Doch mit ihrer idealistischen Art machen die Autoren diese nützlichen Aspekte wieder zunichte. Zwar weisen sie immer wieder darauf hin, dass die Umsetzung ihrer Ratschläge angesichts des Kostendrucks im Journalismus schwierig ist. Doch fehlen hier die Tipps, wie man denn trotz wiedriger Umstände möglichst nah an den Idealzustand der Autoren heran kommt.

Tatsächlich ist die idealistische Einstellung auch die größte Schwäche des Buches. Natürlich wird die aktuelle Krise der Printerzeugnisse erwähnt. Aber die Autoren gehen stark davon aus, dass gute Qualität immer Abnehmer findet. Das ist in der Realität aber nicht so. Die Verlage sparen nun einmal bei den Redaktionen. So wird es für viele Produkte unmöglich, eine ausreichende Qualität zu liefern, um ihre Leser an sich zu binden. Wie Journalisten in diesem schwierigen Umfeld bestehen können, darauf gehen die Autoren nur kaum ein. Weder der Hinweis auf die Möglichkeit als Freier Journalist zu arbeiten (will und kann das jeder?) noch auf die Lokalredaktionen (gibt es die denn noch mit mehr als einer Person?) scheinen da wirklich hilfreich.

Letztlich ist das aber nicht die Aufgabe dieses Handbuches. Es bietet einen Überblick über alle wichtigen Themen des Journalisten. Für Leser, die sich bisher gar nicht damit beschäftigt haben, wie eine Zeitung, eine Zeitschrift oder eine Nachrichtenseite entsteht und wie Journalisten arbeiten (beziehungsweise hier meist arbeiten sollten), bietet das Handbuch viel Neues. Für alle anderen ist es immerhin ansprechend geschrieben und erinnert daran, wie guter Journalismus sein könnte .

Das Buch ist derzeit noch kostengünstig bei der Bundeszentrale für politishe Bildung zu erwerben.

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