Ihr habt den Krieg verloren?
|Am vergangenen Wochenende haben die Linken ihre neue Parteispitze gewählt. Egal wie sich die Delegierten entschieden hätten, die mediale Bewertung wäre so katastrophal ausgefallen wie es nun geschehen ist. Das ist traurig, denn Kampfkandidaturen sind eigentlich etwas sehr demokratisches. Natürlich werden dadurch die Konfliktlinien innerhalb einer Partei offenbar. Aber möchte man wirklich Parteien, in denen tausende Mitglieder das selbe denken und alles abnicken? Es ist daher traurig, dass dem neuen Führungsduo nicht einmal eine Schonzeit zugesprochen wird, sondern jeder Kommentar bereits von ihrem Scheitern ausgeht.
Zugegeben, die Chancen sind gering, dass die Linke sich aus ihrem Tal befreit. Die Themen sind seit Beginn 2011 völlig in den Hintergrund gerückt. Es dominierten allein Antisemitismus, Assad-Unterstützung, Kommunismus-Debatte und Castro-Brief. In den letzten Monaten kam ein enthemmter Flügelstreit hinzu. Daher ist es die vielleicht wichtigste Aufgabe des neuen Führungsteams, die Partei wieder zu einer inhaltlichen Positionierung fähig zu machen.
Dafür muss der Streit um Positionen in eine Bahn gelenkt werden, die am Ende einen Konsens fähig macht. Dass dies zur Zeit schwierig ist, zeigen zwei auf dem Parteitag angestimmte Parolen.
Nachdem Bernd Rixinger zum Parteivorsitzenden gewählt wurden, sangen seine Anhänger die „Internationale“. Das ist an sich nicht verwerflich, solange man sich bewusst ist, wie viele Verbrechen begangen wurde, während dieses Lied permanent gesungen wurde. Auch ist die militaristische und drastische Sprache des Liedes dem heutigen Stand politischer Diskussionen nicht mehr angemessen. Es bedarf also einer kritischen Haltung zu den Auswirkungen des einst hoffnungsvollen Textes.
Hat man so eine kritische Haltung entwickelt und weiß welchen Schrecken das Lied noch immer in einem großen Teil der Bevölkerung der neuen Bundesländer entwickelt, dann darf man es auf politischen Großveranstaltungen kaum singen. Das ist bei einem nostalgischen Liederabend, in Jugendgruppen oder in kleinem Kreis möglich. Aber bei einer Partei, die sich seit über zwanzig Jahren darum bemüht, ihr Image als SED-Nachfolgepartei loszuwerden, ist es doppelt falsch. Erstens, erschreckt es all die Menschen, die genau diese SED-Nachfolge fürchten. Und zweitens, ist es eine Verhöhnung derjeniger ostdeutscher Linke-Politiker, die sich darum bemüht haben, als eigenständige sozialistische Kraft angesehen zu werden.
Alles in allem ist das Singen dieser Hymne der Arbeiterbewegung zwar pietätslos, im Umfeld der Linken aber nicht unerwartet und in einigen Teilen gar verständlich. Wirklich schlimm ist aber die gleichzeitig geäußerte Parole „Ihr habt den Krieg verloren“. Sie wurde in Medienbericht immer gleich nach der „Internationalen“ erwähnt, sodass teilweise der Eindruck entstand, dies sei eine Zeile aus dem Lied. Das ist nicht richtig.
Zugegeben wusste ich nicht, was es mit dieser Parole auf sich hat. Meine bisherige Google-Recherche brachte nur zum Vorschein, dass linke Gruppen diesen Ausspruch bei Anti-Nazi-Demos den Glatzenträgern gerne entgegenwerfen. Damit wurde die vorherige Pietätslosigkeit von einzelnen Personen unterschritten. Denn wie stark man sich innerparteilich auch streitet und selbst wenn es schon lange keine Hoffnung auf einen gemeinsamen Kompromiss gibt: Den Gegner innerhalb einer sozialistischen Partei als Faschisten zu bezeichnen -Â das ist genau der Weg, der den linken Widerstand in Deutschland gegen den Faschismus einst zum Erliegen gebracht hat. Das ähnelt der stalinistischen Agitation gegen den Sozialfaschismus, die sich als historisch falsch und verdammt gefährlich herausgestellt hat.
Die neuen Parteivorsitzenden müssen auf ihrem Weg zu einem sozial gerechten und gleichzeitig überzeugenden Profil der Partei als erstes dafür sorgen, dass solche Geschmacklosigkeiten nicht vorkommen. Eine Partei, in der die unterliegende Seite so krass verhöhnt wird, ist eine gemeinsame Arbeit an zuvor formulierten Zielen kaum möglich. Innerparteilicher Streit muss sein, aber respektvoll und rücksichtsvoll.