Schleswig Holstein – die dritte Enttäuschung?

Eigentlich ist es klasse. 2009 haben viele noch gemunkelt, die SPD werde mindestens ein Jahrzehnt brauchen bis sie sich aus dem Jammertal 20-25 Prozent herausgearbeitet hat. Dennoch gingen fast alle Landtagswahlen nach der Pleite 2009 gut bis sehr gut für die SPD aus. Bei den meisten gab es große Gewinne, immer endete die SPD auf der Regierungsbank. Die Landtagswahl gestern in Schleswig-Holstein brachte der SPD ebenfalls große Gewinne. Die letzten Hochrechnungen sehen ein plus von 5%. Dennoch herrscht eine ähnliche Ernüchterung wie bei den vergangenen beiden Wahlen im Saarland und in Berlin. In allen drei Fällen sagten die Umfragen deutlich bessere Ergebnisse vorraus, die dann nicht eintraten. Doch dann durchkreuzten vor allem starke Piraten die Pläne, eine rot-grüne (Berlin) bzw. eine SPD-geführte Landesregierung (Saarland) zu stellen.

Die Bürger haben keine Lust auf schwarz-gelbe Regierungen und meist auch keine Luste mehr auf konservative Regierungen. Die erste Wahlanalyse aus dem Willy-Brandt-Haus führt viele Punkte auf, warum es in Schleswig-Holstein eine Wechselstimmung gab. Schwarz-gelb war aber nicht nur verhasst, Thorsten Albig hat zudem die höchsten Beliebtheitswerte im Bundesland. Dennoch reichte das nicht, um stärkste Kraft zu werden.

Hier rächt sich, dass die SPD es bisher nicht vermocht hat, sich als eindeutige Alternative zu präsentieren. Thorsten Albig hat einen seriösen, guten und vor allem sympathischen Wahlkampf geführt. Auch wenn nicht der Eindruck eines großen, inhaltlichen Projektes vermittelt wurde, gab es durchaus gewichtige und gute Unterschiede zu den Christdemokraten. In der Diskussion setzte sich aber der unsägliche „Dänen-Ampel“-Populismus der CDU durch. Das wäre alles halb so schlimm, wenn es von der Bundesebene ausreichend Rückenwind geben würde. Doch gerade hier gelingt es der Partei nicht, sich trotz guter Beschlüsse auf den letzten Parteitagen als überzeugende Alternative zu den Konservativen zu präsentieren. Der deprimierenden Leistung der derzeitigen Regierung wird kein Konzept und erst recht kein Projekt gegenüber gestellt, was enttäuschte Wähler motivieren würde, die SPD zu wählen.

So war gestern die größte Schwäche der SPD die massive Abwanderung in das Lager der Nichtwähler. Die Partei hat vielleicht 5% der abgebenen Stimmen dazu gewonnen, aber viele Wähler ans Nichtwählerlager verloren. Und obwohl die Piraten angeblich massenhaft Nichtwähler ansprechen, ging die Wahlbeteiligung deutlich zurück.

In den nächsten eineinhalb Jahren bis zur Bundestagswahl muss es der SPD gelingen, ein Politikkonzept zu entwickeln, dass eine glaubwürdige, solidarische und dennoch finanzierbare Alternative zu der derzeitigen Regierungspolitik darstellt. Das allein ist bereits eine schwierige Aufgabe. Das muss jedoch mindestens zusammen mit den Grünen gelingen, um auch den Eindruck realistischer Mehrheiten zu vermitteln. Derzeit sieht es jedoch so aus, als schaffe es die SPD nicht einmal, alleine so ein Konzept zu präsentieren. Das 2011 vorbereitete Fortschrittskonzept wurde sang- und klanglos beerdigt, der große Fortschrittskongress blieb aus. Auf dem letzten Parteitag wurden zwar viele (gute) Beschlüsse erarbeitet, ansehnlich präsentiert werden sie jedoch nicht.

Immerhin 48% der Wahlausgangsbefragten gaben gestern in Schleswig-Holstein an, sie hätten ihre Entscheidung von dem Programm abhängig gemacht. Nur jeweils etwa 25% der Befragten gaben ihre Parteibindung oder den Kandidaten als hauptsächlichen Grund an. Wenn die SPD sich 2013 nicht ebenfalls von den Piraten als Auffangbecken enttäuschter Bürger um die Regierungsverantwortung bringen lassen möchte, muss sie langsam beginnen, eine inhaltlich überzeugende Alternative zu bilden. Ein Weg dazu könnte der rot-grüne Think Tank „Denkwerk Demokratie“ sein. Das hat kürzlich eine erste „Denkschrift“ veröffentlicht. Am Ende des Papiers heißt es, das nächste Werde Anfang 2013 erscheinen. In dem Tempo können höchstens drei Papiere vor der Bundestagswahl erscheinen – so gewinnt man weder inhaltliches Profil noch Wahlen.

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