Gemeinsame Europapolitik – ein sozialdemokratisches Projekt?

Mit ihrem eindeutigen Werben für Nicolas Sarkozy setzte Angela Merkel alles auf eine Karte. Bisher griffen Regierungschefs nicht in den nationalen Wahlkampf anderer Regierungschefs ein. Angela Merkel hat das getan und das unter anderem damit begründet, dass man sich in der selben Parteifamilie befinde und sich daher nun einmal helfe. Sarkozys Gegenkandidaten versagte sie nicht nur ein Treffen, sie überredete andere Staatschefs dazu, es ihr gleich zu tun. Außerdem plante sie Wahlkampfauftritte mit Sarkozy, die dieser wieder absagte, als er merkte, dass Angela Merkel nicht viel populärer in Frankreich ist als er selbst. Trotz dieser dreist und teilweise stümperhaft wirkenden Taten hat die Bundeskanzlerin damit eine interessante Bewegung ausgelöst.

Denn gestern gaben nun François Hollande und Sigmar Gabriel zusammen ein Interview. Die Botschaft ist klar: Sozialdemokraten und Sozialisten halten zusammen und arbeiten gemeinsam, um die Eurokrise zu lösen. Das ist ein gutes Signal, denn zuletzt wurde in der deutschen Presse immer wieder betonnt, dass die beiden linken Oppositionsparteien inhaltlich auseinander liegen.

Interessant ist aber, dass dies wichtig zu sein scheint. Angela Merkels Engagement für Sarkozy hat dazu geführt, dass die Presse auch auf das Verhältnis zwischen Sozialdemokraten und Sozialisten achtet. Dadurch ist ein Stückchen europäischer Integration erreicht worden. Parteien werden nicht mehr nur national wahrgenommen, sondern auch innerhalb ihrer europäischen Parteienfamilie.

Für die SPD ist das die Chance, sich aus der engen Umarmung mit der Kanzlerin zu lösen. Ihre Forderung nach einer Finanzmarkttransaktionssteuer wird mittlerweile auch von der CDU geteilt. Doch die möchte das nur auf Europaebene umsetzen. Dort wird sie jedoch von konservativen Parteien verhindert. Hier muss nun der Ansatz des französischen Wahlkampfes verlängert werden. Wer in einen anderen Wahlkampf mit der Begründung der Parteifamilie eingreift, muss sich auch die Frage erlauben lassen, warum Parteien derselben Familie die wichtige Transaktionssteuer verhindern. Auf diese Tatsache muss immer wieder hingewiesen werden. Es darf nicht sein, dass ein europäischer Wahlkampf immer dann betrieben werden, wenn es einem Staatschef gerade in den Kram passt. Die SPD sollte an dieser Stelle mit anderen sozialdemokratischen und sozialistischen Parteien an einer Alternative zu der konservativen Herrschaft über Europa arbeiten.

Das ist ein langfristiges Projekt, das vermutlich nicht vor der nächsten Bundestagswahl erreicht werden kann. Es ist aber ja seit den Anschlägen in Toulouse auch nicht mehr sicher, ob François Hollande die Präsidentschaftswahl noch gewinnt. Dennoch lohnt es sich, darüber Gedanken zu machen, wie ein europäisches sozialdemokratisches Projekt aussehen könnte. Die Anfänge der Sozialdemokratie waren bereits international orientiert, das muss verstärkt werden. Wenn die SPD ein Angebot für eine solidarische, aber auch vermittelbare Europapolitik bietet, die sie mit Partnerparteien in Europa anpackt und die der Politik wieder mehr Handlungsräume verschafft, trägt das zu einer Profilierung als Europapartei bei und ist gut für die europäische Integration. Bis dahin tut sie gut daran, François Hollande zu unterstützen. Denn er ist zur Zeit in Europa der einzige, der dem Merkelschen Gesetz (ich tue nach drei Monaten das, was ich zuvor kategorisch ausgeschlossen habe, weil es jetzt alternativlos geworden ist) etwas entgegen setzen kann.

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