Man scheut die langweilige Wiederholung

Angela Merkel hat die Kanzlerinnenmehrheit gestern in der Abstimmung über ein weiteres Griechenland-Paket nicht erreicht. Ist das schlimm? Im September schien das noch so. Als man damals über den Rettungsschirm abstimmte, spekulierten die Medien landauf landab, ob die Koalitionsfraktionen gemeinsam eine Mehrheit erreichen würden. Gerne spekulierten Kommentatoren auch darüber, dass danach die Koalition vor einem Scherbenhaufen stehen würde und eventuell gar zerplatzen könnte.

Die Stimmung war so angespannt, dass Kanzleramtsminister Pofalla einen erinnerungswürdigen Gefühlsausbruch („Ich kann Deine Fresse…“) hatte. Und diesmal? Gar nichts. Entweder haben die Medien vergessen, das aufzubauschen oder sie hatten das Gefühl, das war bereits Thema, das muss nicht noch einmal Thema werden.

Das Resultat ist, dass die Kanzlerinnenmehrheit nicht erreicht ist und keiner daraus die Konsequenzen erwachsen sieht, die vor einem halben Jahr noch prognostiziert wurden. Das ist ungünstig. Denn der Verdruss über deutsche Medien und die damit verbundenen sinkenden Auflagen liegen nicht allein daran, dass weniger Leute lesen und das Internet alles abgreift. Es liegt auch an der Inkonsistenz der Berichterstattung, die sich nicht einmal daran erinnern kann, was sie vor einem halben Jahr schrecklich fand.

Darüber hinaus muss man jetzt aber sagen: Von der Kanzlerinnenmehrheit spricht man, wenn die Hälfte der möglichen Stimmen des Bundestages (311) aus den Regierungsfraktionen zustimmen. Das wurde mit 7 Stimmen verfehlt. Dennoch haben 304 Abgeordnete der Koalition für das Rettungspacket gestimmt, während die Nein-Stimmen und die befürwortenden Stimmen der anwesenden Opposition gerade einmal 282 Stimmen bildeten. Die Ja-Stimmen der Regierungsfraktionen hätten also gereicht und hätten auch im September schon ohne Kanzlerinnenmehrheit gereicht. Das Drama bleibt daher zurecht aus, warum musste es im September künstlich erzeugt werden?

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