Unter Verdacht (ARD-Radiotatort)

Senta Pollinger ist auf einer Fortbildung. Ein Dozent verspricht ihr eine rasante Karriere. Er möchte mit ihr auf einer Wanderung Tipps für die Beförderung geben. Während der Wanderung bedrängt er sie jedoch, Senta steigt den Berg allein hinunter. Wenige Tage später wird der Dozent tod aufgefunden, Senta ist die Hauptverdächtige.

„Unter Verdacht“ ist der bisher beste Radiotatort, den ich gehört habe. In einem bayerischen Bergdorf findet die Fortbildung statt. Die Wanderung ist sehr gut vertont, sodass man beinahe das Gefühl hat, dabei zu sein. Die Avancen des Dozenten sind von Anfang an eindeutig, doch für Senta ist es schwierig, diese abzulehnen, ohne es sich mit ihm zu verscherzen. Die erste Hälfte der Episode besteht dann fast ausschließlich aus Verhören.

Der leitende Hauptkommissar ist davon überzeugt, dass Senta die Täterin ist. Er hält sie für emotional und aufbrausend und kann vor allem nicht verstehen, warum sie den Vorfall einige Tage geheim gehalten hat. Immer wieder versucht er die „guter Cop“-Nummer und heuchelt Verständnis dafür, dass Senta ärgerlich auf einen Macho wurde und ihn angegriffen hat. Dabei wird aber deutlich, dass der Kommissar gar nichts versteht. Er kann sich nicht in Senta hineinfühlen und gibt ihr immer wieder eine Mitschuld daran, dass der Dozent mit ihr eine Affäre beginnen wollte. Zum Schluss geht er sogar so weit, eine Affäre als Tatsache zu betrachten, einfach weil Senta mit Wandern gegangen wird.

Dieser Teil ist wirklich gut. Sehr gut wird er aber erst in der zweiten Hälfte, in der Senta ein Alibi erhält. Sie merkt jedoch, dass einiges an dem Alibi nicht stimmen kann. Anstatt sich zu freuen, dass jemand für sie gelogen hat, geht sie der Sache nach. Dabei trifft sie auf den wahren Täter. Dabei handelt es sich um einen gehörnten Gatten, deren Frau eine Affäre mit dem Dozenten hatte. Als diese bekannt wurde, verließ er die Frau, die sich daraufhin umbrachte. Der Hauptkommissar verhört nun den Mann und geht völlig anders um. Hier beweist er wahres Einfühlungsvermögen und behandelt den Mann gänzlich anders als zuvor Senta. Dieser krasse Unterschied wird nicht kommentiert und das ist gut so. Denn erst dadurch wird die Kritik an den patricharchalischen Einstellungen vieler leitender Polizisten richtig deutlich und nicht nur einen einordnenden Kommentar verwässert.

Abgerundet wird der Krimi noch durch eine putzige und unfähige Nebenfigur sowie einem großzügigen Einsatz des bayerischen Dialekts. Das ist nämlich das besonders Schöne an den Radiotatorten: Während die Fernsehserie Lokalkolorit immer mehr zurückfährt, tritt es in den Radiofolgen durch Dialekte um so mehr zu tage.

„Unter Verdacht“ ist kein actionreicher Radiotatort. Doch das gelungene Verhör mit der klugen Senta, die in eine perfide Männerwelt gerät, von der sie vorverurteilt wird, ist sehr spannend anzuhören. Die Folge ist noch bis zum 16. Januar auf der Homepage der Serie downloadbar. Das sollte man tun.

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