Ungarns Verfassungsgericht jetzt unnötig?
|Anfang des Jahres belegte die rechtsnationale Regierung Orbán die ungarische Presse mit strengen Auflagen, die staatlichen Medien werden seitdem ebenfalls stärker kontrolliert. Möglich macht das eine konfortable zwei Drittel Mehrheit, die die Regierungskoalition nach einigen Skandalen der früheren linken Regierung erwerben konnte. Die EU protestierte zwar ein wenig, tat letztendlich aber gar nichts. Auch Deutsche Verlage, die in Ungarn recht aktiv sind, scherten sich nicht darum, dass die Pressefreiheit eingeschränkt wurde. Heute kann man in der taz als kleine Meldung lesen, dass die Regierung Orbán zum nächsten Schlag ausholt: Sie macht das Verfassungsgericht des Landes quasi unnötig.
Die Meldung kann man unter anderem auf dem Informationsportal des deutschen C.H. Beck-Verlags nachlesen. Eine Verfassungsänderung sorgt dafür, dass das Verfassungsgericht jetzt nicht mehr von allen Bürgern angerufen werden darf. Stattdessen dürfen nur noch die Regierung, vier Fünftel aller Parlamentarier oder der Obhutsmann für Menschenrechte das Gericht anrufen. Diese Änderung ist unglaublich, denn es bedeutet, dass in Zukunft nur noch der Regierungskreis das Verfassungsgericht anrufen kann.
Denn erstens ist die Regierung die Regierung.
Zweitens verfügt jede Regierung über eine parlamentarische Mehrheit von mehr als 20%. Außerdem braucht jedes Gesetz, das erlassen wir mehr als 20%. Wiese bedarf es dann 80% der Parlamentarier, um ein Gesetz zu überprüfen? Das bedeutet letztendlich, dass selbst bei einem knapp verabschiedeten Gesetz, ca. 60% der Befürworter sich umentscheiden müssten. Das dürfte in der Praxis nie geschehen.
Letzter Ausweg scheint daher der Ombudsmann für Grundrechte zu sein. Laut einem Aufsatz der Humboldt-Universität wird dieser jedoch mit einer zwei Drittelmehrheit durch das ungarische Parlament gewählt. Das sind zwar weniger Stimmen, als eine direkte Prüfung durch das Verfassungsgericht nun bedarf. Aber letztendlich stehen auch hinter dem Ombudsmann die Stimmen der Regierungskoalition.
Zum Vergleich: In Deutschland können sich die Bürger „durchprozessieren“. Wenn sie an der höchsten Instanz scheitern, können sie unter bestimmten Bedingungen noch das Verfassungsgericht anrufen. Außerdem reicht eine Gruppe von Parlamentarirn, die 25% des Parlaments repräsentieren. Darüber hinaus kann jeder Bürger Eingaben an das Verfassungsgericht machen und es gibt noch weitere Möglichkeiten.
Unter Strich wurde Ungarns Verfassungsgericht am Montag unnötig gemacht. Denn in Zukunft wird nur noch das überprüft werden, was die Regierung überprüft haben möchte. Das ist gefährlich, vor allem bei einer rechtsnationalen Regierung, die bereits autoritäre Neigungen gezeigt hat. Peinlicherweise wird die EU aber auch diese Zumutung akzeptieren, da sie gerade mit der Finanzkrise beschäftigt ist.