Partei statt Person kritisieren

Zum ersten Mal seit langem konnte sich der Bundestag wieder auf einen gemeinsamen Antrag einigen. Die Union sprang über ihren Schatten und fand sich zusammen mit der Linkspartei auf einer Erklärung gegen Rechtsextremismus wieder. Diese Einheit wurde unter anderem dadurch zerstört, dass die Opposition Kristina Schröder in der folgenden Debatte kritisiert. Der Fokus lag dabei vor allem auf Schröders Extremistenklausel, die Engagement gegen Rechtsradikalismus unter linksextremistischen Generalverdacht stellt. So richtig die Kritik an dieser Klausel auch ist, an dieser Stelle war sie falsch. Denn die Ereignisse und Enthüllungen der letzten Tage haben mit der heutigen Vorsorgearbeit gegen Rechtsradikalismus wenig zu tun. Diese Arbeit hätte schließlich bereits in den 90er Jahren stattfinden müssen, um die schrecklichen Ereignisse zu verhindern. Der eigentliche Skandal ist, dass Rechtextremistische Aktivitäten runter gespielt wurden. An diesem Punkt hätte die Opposition die CDU/CSU-Fraktionen kritisieren müssen.

Denn Kristina Schröder setzt nur die Ideologie ihrer Partei um. Denn seit Jahren weigern sich die Union und ihre Anhängsel de facto gegen rechtsextremistische Tendenzen vorzugehen. Bei vielen (westdeutschen) Anti-Nazi-Demos sagen sie erst zu, wenn sich die Demo auch gegen Linksextremismus wendet. Das ist aber völlig sinnentlert. Denn wenn man Nazis auf der Straße gegenüber steht, macht sich das Banner „Gegen Links- und Rechtsextremismus“ nicht besonders gut.

Wenn man – wie die Union – also von einer beidseitigen Extremismusstrategie ausgeht, dann kann man in vielen Punkten zurecht sagen, dass die Union in den letzten Jahren auf einem Auge blind war. Beim Vorgehen „gegen rechts“ wurde nämlich immer darauf gepocht, auch „gegen links“ mit einzubeziehen. Gleichzeitig wurden aber eine Reihe von Projekten geplant, um ausschließlich „gegen links“ vorzugehen. Diese Handlungsweise resultierte aus der Überzeugung, dass man Linksextremismus zu lange vernachlässigt habe. Dadurch war anti-Nazi-Arbeit mit der Union an vielen Stellen erst möglich, wenn man sich von linken Bündnispartnern absetzte. Dabei haben selbst die Kirchen eingesehen, dass das nicht geht und arbeiten in Bündnissen oft relativ unproblematisch mit der DKP zusammen. „Gegen links“ war also immer möglich, „gegen rechts“ nur im Kombo.

Die Mentalität der Union scheint auch von Verfassungsschutz und Polizei geteilt zu werden. Ein Beispiel ist eine kurze Meldung im Wedel-Schulauer-Tageblatt: Am Wochenende hatten in der Kleinstadt 25 Jugendliche betrunken randaliert. Die Polizei brauchte zehn (!) Streifenwagen, um die Jugendlichen zu stoppen, die offensichtlich sehr gewaltbereit waren. Die Meldung spricht davon, dass es sich „um linksorientierte Jugendliche aus Wedel [..]handelt, die zu einer Privatfeier zusammengekommen waren.“ Da ist natürlich die Frage, worum es sich bei linksorientierten Jugendlichen eigentlich handelt? Untersuchungen ergeben regelmäßig, dass „die“ Jugend mehrheitlich linksorientiert ist. Auch ich sehe mich als linksorientiert. Muss man – sollte ich betrunken, pöbelnd und gewaltbereits durch eine Stadt ziehe – dann ebenfalls von einer Linksorientierung sprechen? Oder sollte man nicht vielleicht erst einmal klären, ob meine Aktion einen politischen Hintergrund hatte?

Das ständige und ausschließliche Schielen der Union – und mittlerweile auch einiger Medien – auf den linken Rand ist der eigentliche Skandal der derzeitigen Situation. Dies zusammen mit dem Alltagsrassismus („Döner-Morde“) muss von den Oppositionsparteien kritisiert werden. Es ist natürlich einfacher, sich eine einzelne Person (Kristina Schröder) rauszusuchen. In diesem Fall sollte man aber die Doppelmoral eines Großteil der Union kritisieren.

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