Vergesslich

Jan Fleischhauers Kolumne auf Spiegel Online ist selten überraschend. Konsequent wird alles, was angeblich konservativ ist, gelobt, alles, was links riecht, kritisert. Diese Woche hat er es jedoch etwas übertrieben. Denn seinen Artikel über die Frage „Warum Steuersenkungen jetzt nötig sind“ ist mehr als schwach. Denn Fleischhauer zeigt darin, dass er sehr vergesslich ist, ihn ökonomische Dinge kaum interessieren und er auch nicht darüber nachdenkt, wie sich der Bundeshaushalt eigentlich zusammensetzt.

Fleischhauer stellt zunächst einmal fest, dass man sich mit der Forderung nach Steuersenkungen in Deutschland quasi selbst unmöglich mache. Zum Ende heißt es gar, die Deutschen hätten sich angewöhnt nicht die Erhebung von Steuern als begründungspflichtig anzusehen, sondern deren Senkung. Das ist relativer Schwachsinn.

Denn tatsächlich kommt man derzeit mit der Forderung nach Steuersenkungen nicht sehr weit. Doch noch vor zwei Jahren sind sowohl Union und FDP mit dem Versprechen, die Steuern massiv zu senken, in den Wahlkampf gezogen. Schon damals wussten die meisten, dass das schwierig werden würde. Dennoch ist die Enttäuschung, dass gerade die FDP Steuersenkungen nicht geliefert hat, groß.

Das Desinteresse an Steuersenkungen rührt auch daher, dass sie seltenst bei der breiten Masse ankommen. Denn es wird in der derzeitigen Diskussion oft vergessen, dass die Regierung in dieser Legislaturperiode bereits die Steuern gesenkt hat. Das Wachstumsbeschleunigungsgesetz brachte Steuererleichterungen für Hoteliers und andere „Leistungsträger“ der Gesellschaft. Gerhard Schröder entlastete hohe Einkommen. Kein Wunder, dass Steuersenkungen lediglich mit Privelegien für die Bessergestellten in Verbindung gebracht werden.

Diese Ansicht ist jedoch nicht festgeschrieben. Noch vor zwei Jahren war Fleischhauers Sicht der Wahlkampfrenner.

Fleischhauer zeigt jedoch auch, dass ihn ökonomische Themen eigentlich nicht wirklich interessieren. Denn sein einziges Argument für Steuersenkungen ist, dass sie ein Ausgleich für Inflation und Progression sind. Das allein ist schon recht schwach. Denn für den Inflationsausgleich sollten eigentlich die höheren Löhne verantwortlich sein. Die werden teilweise von der kalten Progression aufgegfressen. Daher sollte man eigentlich eher ein Modell entwickeln, das der Progression den Kampf ansagt. Das wird mit den bisherigen Steuersenkungsplänen jedoch bei weitem nicht erreicht.

Außerdem erwähnt Fleischhauer nicht mit einem einzigen Wort, was denn die Auswirkungen einer solchen Steuersenkung sind. Er kritisiert wiederholt, dass die Verschuldung auch ohne Steuersenkungen nicht abgebaut würde. Aber kann das denn mit Entlastungen geschehen? Das ginge nur, wenn die Konjunktur angekurbelt wird. 2009 meinten Ökonomen jedoch bei einem 50 Milliarden schweren Konjunkturpaket, dass das die Konjunktur kaum ankurbeln würde. Und nun sollen Steuersenkungen im Umfang von sieben bis zehn Milliarden das schaffen? Was für eine kurzsichtige Idee.

Weder Fleischhauers Argument für Steuersenkungen noch seine implizite Idee nur mit Steuersenkungen gelänge die Haushaltskonsolidierung überzeugen also.

Zum Schluss beschreibt Fleischhauer wortreich, wo der Staat überall beim Ausgeben versagt. Denn trotz vieler Einnahmen gelänge es ihm nicht, für die Daseinsvorsorge zu sorgen und gleichzeitig keine Schulden zu machen. Dieser Vorwurf ist nun wirklich dämlich.

Denn die Daseinsvorsorge wird schlechter weil der Staat sparen muss. Das ist unter anderem der Fall, weil viele Steuern gesenkt wurden, wie die Einkommenssteuer, oder gleich abgeschafft wurden, wie die Vermögenssteuer. Und natürlich lebte Deutschland auch etwas über den eigenen Verhältnissen. Doch nach Jahrzehnten des Sparens ist das nicht mehr der Fall.

Denn wer sich den nächsten Haushalt anguckt, wird sehen, dass die Neuverschuldung geringer ist als die Ausgaben für Zinsen. Die neuen Schulden werden also einzig und allein dafür ausgegeben, alte Schulden zu tilgen. Das ist nicht effizient, kann es aber auch gar nicht werden. Daher bedarf es eines ausgeglichenen Haushalts, um dafür zu sorgen, dass die Zinsausgaben wenigstens nicht ansteigen.

Deutschlands Daseinsvorsorge ist – wie Fleischhauer richtig feststellt – nicht perfekt. Gerade bei den Renten und der Gesundheitsversorgung liegt vieles im Argen. Doch das liegt zu einem eben so großen Teil am Sparen wie an dem schlechten Einsatz von Mitteln. Mittlerweile gibt Deutschland über 30 Milliarden Euro im Jahr zur Schuldtilgung aus. Für 2012 sind 27,2 Milliarden neue Steuern geplant? Dieser Teufelskreis wird – auch wenn Fleischhauer das nicht einsehen möchte – immer weiter gehen, wenn es nicht gelingt, die Neuverschuldung zu reduzieren.

Und das geht auf drei Wegen. Entweder man verbessert die Einnahmesituation, man spart weiter an der Daseinsvorsorge und man spart stark weiter an der Daseinsvorsorge und senkt die Steuern. Die Lösung dürfte klar sein: Der Inflationsausgleich sollte dem (auch von Fleischhauer so viel gepriesenen) Markt überlassen werden und die Einnahmesituation durch mehr arbeitende Menschen, Abbau von ungerechten Subventionen (Kinderfreibetrag, Ehegattensplittung) und dezenten Steuererhöhungen verbessert werden.

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