Digitale Demokratie

Jeden Mittwoch schreibt Sascha Lobo auf Spiegel Online über das Internet. Das ist ein sehr allgemeines Thema, am vergangenen Mittwoch ging es um die „Digitale Demokratie„.

Der Artikel zeichnete sich – wie bei einem „Digital Native“ nicht anders zu erwarten – durch einen großen Optimismus gegenüber Beteiligungsverfahren im Internet aus. Das Ergebnis des Artikels ist, dass man mehr Experimente wagen sollte und per „Trial-and-Error“ herausfinden sollte, was funktioniert. Das Erschreckendste an dem Artikel war dabei, dass kein einziger Gedanke an mögliche Wahlfälschungen verschwendet wurde.

Jede Wahl kann manipuliert werden. Eigentlich ist das bei „echten“ Wahlen gar nicht so kompliziert. Man versucht Einfluss auf die Auszähler zu erlangen und sorgt dafür, dass Stimmen verschwinden, anders ausgezählt werden oder mehrfach gewertet werden. Daher gibt es in den meisten liberalen Demokratien Institutionen, die möglichst unabhängig sind und die Wahl überwachen.

Auch Wahlen im Internet können manipuliert werden. Hier braucht man nicht Geld und Ressourcen, um Menschen zu bestechen, sondern vor allem viel Ahnung über Hacken. Grundsätzlich sollte man aber davon ausgehen, dass jede elektronische Abstimmungsform manipulierbar ist. Nicht ohne Grund hat man schon lange nichts mehr von so genannten „Wahlcomputern“ gehört, die bei Bundestagswahlen eingesetzt werden sollen. Der Chaos Computer Club hätte bei jeder Variante in Windeseile ein Schlupfloch gefunden und die Wahl wäre manipulierbar geworden.

Wer sagt uns nun aber, dass zum Beispiel die von Lobo als Beispiel angeführten Bürgerhaushalte nicht ebenfalls manipulierbar sind? Die Webseiten, über die diese betrieben werden, werden meist von Kommunen gestaltet. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Kommunen besonders viel Ahnung darin haben, sich vor Angriffen zu schützen. Nun könnte man einwenden, dass Bürgerhaushalte ja keine große Sache sind, wenn es um ein paar Straßen geht, wird das schon keinen Hacker anziehen.

Aber demokratische Formen sollten auch in kleinem Maßstab fälschungssicher sein. Dass daran nicht gedacht wird, ist bedauerlich.

Außerdem ist bei demokratischen Beteiligungsmöglichkeiten auch wichtig, dass jeder erreicht werden kann. So weit verbreitet das Internet zur Zeit auch sein mag, bei jedem ist es noch nicht angekommen. Für einen rein digitalen Bürgerhaushalt hätte also noch nicht einmal jeder die Möglichkeit, sich zu beteiligen. Hier würde also wieder eine (zugegeben: leichtere) Partizipationsmöglichkeit für einen Gesellschaftsausschnitt geschaffen. Und zuletzt ist die Frage, wie zum Beispiel eine Bürgerhaushalt-Homepage beworben wird: Über die Lokalzeitung, die Parteien und über amtliche Mitteilungen? Das wäre der Weg, über den alle anderen kommunalen Veranstaltungen auch beworben werden – mit meist mäßigen Ergebnissen. In der digitalen Variante würden dann noch gut vernetzte Internetnutzer dazustoßen. Insgesamt bildet das noch immer keine große Gruppe.

Sascha Lobo geht auf das Letzte Problem lediglich am Rande ein. Er bedauert, dass die Wahlbeteiligung bei dem von ihm als Beispiel verwendeten Bürgerhaushalt nicht besonders hoch war. Vermutlich war das wieder die kleine, eh schon aktive kommunale Elite plus einiger junger Internetnutzer. Die können jetzt darüber abstimmen, welche Straßen verbesserungsfähig sind und welche Schwimmbäder erhalten bleiben sollen.

Die Leidtragenden dieser Maßnahmen dürften vermutlich schon im Vorraus stattfinden: Die Arbeitnehmer, die gar nicht die Zeit dafür haben, sich mit solchen Dingen auseinanderzusetzen. Denn der „Klick“ ist im Internet zwar weiter, aber ein Bürgerhaushalt fordert eigentlich auch eine gewisse Abwägung.

Ich glaube, wir brauchen mehr, direktere und neue Partizipationsformen. Nur leider endet man bei jedem Vorschlag schnell bei einem Problem: Es beteiligt sich nur eine meist gebildete, Zeit habende Minderheit, während bei repräsentativen Wahlen (noch) weitaus mehr Menschen ihre Wünsche auf Kandidaten und Parteien projizieren. Gerade im Internet kommt noch das Problem hinzu, dass sich nicht einmal alle beteiligen können. Neue Formate über Experimente auszuprobieren ist generell nichts Schlechtes. Nur wäre es wenig demokratisch, wenn Fehler-Experimente dazu führen, dass eine Minderheit eine Mehrheit eine neue Straße vor die Tür setzt. Das wäre äußerst kontraproduktiv.

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