Bayrische Heuchlertruppe

Die CSU, im Selbstverständnis auch bayrische Staatspartei, zeigt zur Zeit auch den Unverständigsten ihr eigentliche, heuchlerische Seite. Vor kurzem überraschte der CSU-Ministerpräsident Seehofer mit der Ankündigung, demnächst bundesweit nach einem Endlager für Atommüll zu suchen. Bisher hatten Bayern nd Baden-Württemberg ihr Atomprojekt gut protektioniert und den Müll in den Norden der Republik geschickt. Das sollte nun anders werden, sagt Seehofer. Nun sagt sein Umweltministerium aber, dass es in Bayern kein Endlager geben werde. Die Gesteinsformationen eigneten sich nicht, daher bedürfe es auch keiner Suche in Bayern. Hätte sich Niedersachsen damals doch nur ebenfalls auf so eine Sprachregelung berufen.

Gestern berichtete zudem die Taz darüber, dass die CSU eine heftige Niederlage in einem Umfragestreit erlitten habe. Für eine halbe Million Euro fertigte die CSU von 2000 bis 2009 Umfragen an, in denen aber nicht nur die Sontnagsfrage gestellt wurde, sondern auch nach möglichen CSU-Strategien geforscht wurde. Ein Verwaltungsgericht hat dieses Verhalten nun als nicht verfassungsmäßig gerügt, denn die Opposition hatte um Herausgabe der Umfragen gebeten und die Informationen nicht erhalten. Damit wurde das Informationsrecht der Opposition verletzt.

Die CSU ist also eine selbstverliebte, populistische Partei. Das konnte man sich auch vorher schon denken. Aber ein aktuelles Papier der Christsozialen zeigt, dass die Partei zudem noch verdammt heuchlerisch auftritt.

Der Generalsekretär der CSU hat am 3. Juni ein Papier vorgelegt, dass den Titel „5-Punkte Memorandum zu aktuellen Fragen in der EU“ trägt. Darin fordert er:

  1. Machtverschiebung nach Europa verhindern, denn „mehr Europa“ bedeute „weniger Deutschland und weniger Bayern“
  2. eine europäische Finanzregierung müsse verhindert werden, da sonst die staatliche Souveränität der Nationalstaaten in Gefahr sei
  3. die Rolle der Europäischen Zentralbank in der Wirtschaftskrise müsse ausgeleuchtet werden, der Ankauf von Staatsanleihen sei eventuell nicht rechtens gewesen
  4. es müssten Grenzen der europäischen Integration definiert werden, sollte dabei festgestellt werden, dass diese Grenzen bereits überschritten werden, müssten die Maßnahmen rückgängig gemacht werden
  5. in der EU müsse eine neue Debattenkultur geschaffen werden, die es auch erlaubt, die EU zu kritisieren

Fünf Punkte – fünf klare Ansagen. Der dritte Punkt ist sehr merkwürdig. Die Rolle der Europäischen Zentralbank wurde bisher in Medien und auch in der Politik fast ausnahmslos positiv bewertet. Warum die CSU ihr jetzt mit Vorbehalten gegenüber tritt, ist unverständlich. Es mag sein, dass der Staatsanleihenankauf rechtlich nicht ganz legal war. Aber hätte ein vorzeitiger Bankrott Griechenlands Deutschland wirklich Geld gespart?

Wirklich falsch ist wohl die gemeinsame Finanzpolitik. Man hat sich auf den Euro geeinigt, auf eine gemeinsame Währung. Es ist heute relativ unverständlich, dass man damals gedacht hat, dass das beinahe ohne gemeinsame Finanzpolitik geht. Dass die CSU daran festhält zeigt nur, dass sie aus der Krise kaum etwas gelernt hat. Eine gemeinsame Finanzpolitik hätte nämlich gerade Deutschland die Möglichkeit gegeben, schon früher auf die Missstände in Südeuropäischen Ländern hinzuweisen. Hätte sie zudem noch wirkungsvolle Implementationsmaßnahmen geboten, hätte man bestimmte Situationen im Vorfeld verhindern können. Aber Dobrindt hält von den „wenn-dann“-Gedankengängen offensichtlich nicht viel. Sein Mantra ist: „Weniger ist mehr“.

Die anderen Punkte kann man vermutlich alle äußern, vor allem wenn man explizit eine „negative“ Debattenkultur in der EU fordert. Denn diese Forderung zeigt schon, dass dem CSU-Generalsekretär Europa „sehr“ egal ist.

Denn das Papier verschweigt sowohl die eigentlichen Probleme als auch die Rolle der CSU in dem Spiel, mit dem Namen EU. Europa leidet an vielen Stellen nicht an einem „zu viel“, sondern an einem „zu wenig“. Zu wenig sind dabei nicht unbedingt die Kompetenzen. Zu wenig ist die Mentalität. Die europäischen Akteure haben eine Art Selbstbedienungsmentalität. Es geht darum, wer die meisten Agrarhilfen erhält und wessen Regionalkonzept gefördert wird. Außerdem herrscht eine Sündenbock-Mentalität. Alles, was auf nationaler oder regionaler Ebene nicht gelingt, verweist man an die EU und kann ihr dann später den schwarzen Peter zuschieben. Dieses Prinzip wird sehr gut in einem Artikel aus dem Jahr 2009 in der „Berliner Republik“ verdeutlicht.

Dieser Artikel deutet aber noch etwas an, was die CSU nicht erwähnt: Die CSU ist ganz vorne mit dabei. Beispiel aus dem Text: Deutsche Politiker beklagten sich über EU-Regulierungen für Traktorsitze, die fast alle Bauern zwingt, sich neue Traktoren zu besorgen. Was dabei verschwiegen wird: Deutsche Politiker haben diese Regelung selbst vorangetrieben, weil die Traktorsitze vor allem in einem Bundesland hergestellt werden – in Bayern. Und nun soll noch jemand erzählen, bei der Lobby-Horde war die CSU nicht in der ersten Reihe? Warum ist die ständige Vertretung des Landes Bayern in Brüssel nicht nur ein prunkhaftes Gebäude, sondern auch größer als manche Botschaft anderer EU-Länder?

Die FAZ fügt dem noch hinzu, dass zum Beispiel die Finalitätsbestimmung völlig unsinnig sei. Mit welchem Recht kann die Politikergeneration von heute, der nächsten Generation vorschreiben, wie sie gestalten soll? Das Kaiserreich und das Nazi-Reich waren auch für lange Zeit geplant und festgelegt und erwiesen sich (zwar durch negative Ereignisse) als veränderlich. Dieser Punkt ist also reinster Populismus und könnte einfach weggelassen werden. Denn wenn Politiker sich morgen einigen, mehr Kompetenzen nach Europa zu schieben, dann werden sie das tun.

Die CSU frönt selbst einer Selbstbedienungs- und Sündenbockmentalität in Bezug auf die EU. Das aktuelle Papier ist nur ein weiterer Profilierungsversuch durch Anti-EU-Rhetorik. Dass dabei eine „offene Debattenkultur“ gefordert wird, ist der reine Hohn. Denn eine Debattenkultur kann nur geführt werden, wenn alle zumindest von der Grundidee überzeugt sind. Die ständigen Forderungen nach „weniger Europa“ verbunden mit dem puren Ausnutzen der Institutionen und einer stetigen Anti-Rhetorik lassen nicht darauf schließen, dass der CSU viel an der EU liegt. Das ist schade, denn die EU hat zu viel erreicht, um von egozentrischen Parteien wie der CSU kaputtgeredet zu werden.

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