Young Elder Statesman

In der schon wieder fast eine Woche alten, aktuellen „Zeit“ fand man diesmal ein interessantes Interview mit Ole von Beust. Zur Erinnerung: Ole von Beust kündigte im letzten Jahre zwei Tage vor einem Volksentscheid über die Schulreform der schwarz-grünen Koalition an, am Tag des Volksentscheids von seinem Amt zurückzutreten. Und zwar unabhängig vom Ergebnis! Bis heute finde ich es beeindruckend, wie kalt da ein Politiker seinen Koalitionspartner ausgespielt hat. Denn natürlich ging der Volksentscheid, der das vor allem grüne Projekt einer sechsjährigen Grundschule kippte, für die Regierung schief. Die Gründe für Beusts Rücktritt lagen auf der Hand, er war amtsmüde.

Die „Zeit“ hat ihn jetzt interviewt und zeigt, wie schnell Politiker „Elder Statesman“-Töne von sich lassen können, wenn die Medien sie denn lassen.

Das Interview klingt nämlich erstaunlich überparteiilich, reflektierend und abgeklärt. Allerdings unterlässt die Zeitung auch jede kritische Frage. So wird zum Beispiel nicht nachgeforscht, ob von Beust den Zeitpunkt seines Rücktritts nicht kritisch sieht. So prahlt die „Zeit“ zwar damit, dass das Interview das erste seit von Beusts Rücktritt sei, neues zu seinem Rücktritt bringt sie aber nicht an den Tag.

Stattdessen darf sich von Beust in die Reihe derjeniger einreihen, die den „politischen Betrieb“ verlassen haben und jetzt über ihn herziehen dürfen. „Weltfremd“ sei die deutsche Politik, jeder sollte höchstens zwei Legislaturperioden im Amt sein dürfen und noch heute nimmt man es ihm übel, dass er ein „Freigeist“ ist. Zwar verteidigt er Politiker auch vor „majestätischen Erwartungen“ und gibt zu, dass er Teil des „Systems“ war, doch die Frage, warum er überhaupt berechtigt ist, so zu urteilen bleibt. Denn letztendlich war er gerade einmal Bürgermeister von Hamburg.

Die Geringschätzung seiner Arbeit klingt an einigen Stellen raus. Nach neun Jahren „Bürgermeistersein“ stellte sich ihm wohl die Frage, „welche Perspektive“ er habe? Es hätte immer die selben Rituale gegeben, es fehlte an „Herausforderungen“. Gleichzeitig hätte er das Amt des Bundespräsidenten nicht abgelehnt und würde in die Politik zurückkehren, wenn es eine interessante Aufgabe gäbe.

Das Kritische an den Aussagen ist, dass sie sich alle auf von Beust selbst beziehen. Wäre nicht die Durchbringung des Primarschulentscheids eine Herausforderung gewesen? Hätte er da nicht zeigen können, zu was er fähig ist? Und hat er sich mit den – längst nicht komplett erfüllten – Zielen des Koalitionsvertrages Herausforderungen ersetzt, nachdenen er hätte streben können?

Unter diesem Gesichtspunkt wäre es dann auch falsch, die Anzahl von Legislaturperioden für Politiker zu begrenzen. Denn ein anderer hätte vielleicht unbedingt noch in einer bisher einzigartigen Koalition versuchen wollen, die Primarschule durchzubringen. Oder es könnte ein anderes Ziel geben, dass erst nach 9 Jahren auftaucht und das noch erreicht werden soll.

Außerdem reflektiert die Amtsmüdigkeit eins Kandidaten in der Regel die seiner Partei. Die CDU hatte sich mit der Primarschule verspekuliert und war auch sonst programmatisch dünn aufgestellt. Das wurde durch von Beust überdeckt und rächte sich nach seinem Rücktritt bitter. Das Ergebnis ist die erste SPD Alleinregierung in Hamburg seit den 80er Jahren. Auch für so einen Regierungswechsel helfen unbefristete Legislaturperiode, wenn auch leider in einem negativen Sinn.

Ein Jahr aus dem politischen Geschäft und schon wird von Beust durch ein zahmes Interview ohne große kritische Fragen die Möglichkeit gegeben, sich zu präsentieren. Das liest sich interessant und bietet an einigen Stellen sogar die Möglichkeit zum Nachdenken. Nur die Person dahinter kann man sich zu den Sätzen kaum vorstellen. In Anbetracht der kurzen Zeit seit des Rücktritts wirken einige abgeklärte Phrasen dann doch eher nach Selbstdarstellung denn nach Erfahrungsergebnis.

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