Glaube Liebe Hoffnung (im Neuen Schauspielhaus Bremen)
|In der Rezession verliert Elisabeth ihren Job. Sie könnte eine Stellung als Selbstständige erhalten, wenn sie 150 Mark für einen Wanderarbeiterschein aufbringen kann. Voller Hoffnung macht sich sich auf den Weg, 150 Mark zu beschaffen. Sie lernt einen Präperator des anatomischen Instituts kennen, der ihr die 150 Mark borgt. Allerdings muss sie das Geld für eine Geldstrafe verwenden, die sie erhalten hat, weil sie ohne Wanderarbeiterschein gearbeitet hat. Sie bekommt allerdings von anderer Seite den Schein, kann auch arbeiten, macht sich aber des Betrugs schuldig. Dessen wird sie überführt und auch verurteilt. Elisabeth lernt kurz darauf einen Polizisten kennen, kommt mit ihm zusammen und wird von ihm finanziell gestützt. Sie verschweigt ihm jedoch ihre Vorbestrafung, da dies seine Karriere behindern könnte. Als ihre Vergehen ans Licht kommen, trennt sich der Polizist von ihr. Daraufhin versucht sie sich, von aller Hoffnung verlassen, in einem Fluss zu ertränken. Zwar wird sie gerettet, doch in einer letzten Konfrontation mit dem Polizisten redet sie sich so in Rage, dass ihr Herz versagt.
Die Grundansatz des Stückes, das zur Zeit im „Neuen Schauspielhaus“ in Bremen aufgeführt wird, weist eigentlich auf eine gesellschaftskritische Komödie hin. Schließlich ist die Konzeption, Geld für Arbeit zu bezahlen, ja recht irrsinnig. Der Untertitel „Ein Totentanz in fünf Bildern“ macht jedoch deutlich, dass Humor kein großes Merkmal des Stückes ist.
Im Gegenteil: Die Stimmung ist von Anfang an negativ. Zwar macht Elisabeth zunächst deutlich, dass sie sich nicht unterkriegen lassen will, doch schnell wird klar, dass Zuversicht allein nicht ausreicht. Sie kommt allerdings durch verschiedene Zufälle an viele Möglichkeiten. In zwei Fällen werden die aber wieder verbaut weil sie nicht ganz ehrlich ist. In beiden Fällen erlauben die Zustände es ihr aber auch nicht, ehrlich zu sein. Weder hätte sie vom Präperator Geld für das Abbezahlen ihrer Geldstrafe bekommen, noch wäre der Polizist mit ihr zusammengeblieben, hätte er gewusst, dass sie vorbestraft ist. Elisabeth wird als der einzige Charakter mit aufrechten Motiven in dem Stück dargestellt, doch selbst ihr gelingt es aufgrund der Zustände deprimierender Weise nicht, ehrlich zu bleiben.
Das Stück langweilt zunächst. Die Grundidee ist gut, aber die langen Unterhaltung im anatomischen Institut sind doch etwas zäh. Außerdem wirken Anspielungen auf die „Wohlfahrtstaatsausnutzer“-Debatte und eine ausländische Arbeitslose zunächst gezwungen. Jede Szene wird zudem von lauter knarziger Musik unterbrochen. Das macht dann Sinn, wenn man die Unterbrechungen als Ankündigung auf den „Totentanz“ versteht. Blöderweise wird dann zum Schluss leichtere, filmmusikähnliche Musik verwendet. Dann hätte man sich die störende Zwischenmusik auch sparen können.
Elisabeth verliert nacheinander ihren Glauben, ihre Liebe und ihre Hoffnung. So sollte man zumindest den Titel des Stücks verstehen und so heißt es meist auch, wenn man das Stück googelt. In der Inszenierung lässt sich erkennen, wann Elisabeth ihre Liebe verliert, schließlich geht die Beziehung zu dem Polizisten rasch zu Bruch. Es ist aber unklar, ob sie ihn je geliebt hat, schließlich ging es ihr in erster Linie um materielle Sicherheit. Dass sie ihre Hoffnung im Verlauf des Stückes verliert, ist ebenfalls klar und sogar noch verständlicher. Nach all den Rückschlägen, sieht sie für sich keine Zukunft mehr. Unklar ist aber, wann sie der Glauben verlassen hat. Das Stück beginnt mit einem Gebet Elisabeths. Sie betet im weiteren Verlauf auch noch ein zweites Mal, dann hört sie damit auf. Die ausländische Arbeitslose, zu der Elisabeth irgendwann Kontakt aufnimmt, wird verhaftet, kurz nachdem sie gebetet hat. Vielleicht soll das Elisabeth den Anstoß gegeben haben, sich vom Glauben abzuwenden. Eindeutige Signale dafür gibt es aber nicht.
Man hätte in diesem Fall die religiöse Handlung auch gleich weglassen können. Dadurch wäre es schwieriger gewesen, Elisabeths Situation zu Beginn zu erklären. Aber man hätte den „Glauben“ in dem Stück auch als „Glauben an sich“ selbst verstehen können, den der Zustand der Arbeitslosigkeit zerstört. Dadurch dass man durch Gebete den „Glauben“ konkretisiert, hätte man das Thema besser auflösen müssen.
Der Mittelteil des Stückes ist gut gelungen. Elisabeth arbeitet bei einer Irene Prantl und ist Vertreterin für Damenunterwäsche. Diese Szenen sind sowohl witzig als auch gesellschaftskritisch. Prantl lobt eine Angestellte, die Frau eines Richters für ihre guten Ergebnisse und erwähnt dabei, dass das Geschäft in der Rezession nicht leicht sei. Als Elisabeth mit mageren Ergebnissen aufschlägt, wird sie harsch kritisert und entgegnet die exakt gleichen Worte wie ihre Arbeitgeberin, wofür sie beleidigt wird. Auch die Richtergattin ist sehr gelungen.
Das einzig störende Elemnt in diesem Teil ist eine Vergewaltigung, die kurz nach Elisabeths Kündigung geschieht. Hier ist nicht klar, was sie aussagen soll. Es wäre interessant zu wissen, ob dieses Ereignis auch in Horvaths Fassung des Stückes vorkommt.
Das Ende ist dann leider etwas zu „schubserisch“. Nach Elisabeths Selbstmordversuch steht sie ihrem Vergewaltiger, dem Polizisten und dem Sohn Irene Prantls gegenüber. Man schreit sich nur noch an, Elisabeth verliert endgültig ihre Würde, kriecht größtenteils auf allen Vieren und wird ständig hin- und hergeschubst. Zuletzt regt sie sich so auf, dass sie an Herzversagen stirbt. Theaterprügeleien wirken auf mich immer wie „Schubsereien“, das müssen sie ja auch, die Schauspieler können sich ja nicht wirklich verprügeln. Bei mir ist der Funke aber nicht wirklich übergesprungen, dafür war die Schlusszene zu lang, die Schauspieler zu sehr am schreien.
Gelungen war am Schluss nur, dass Elisabeth drei egoistischen Männern gegenübersteht. Nachdem sie stirbt, wiederholt der Polizist mehrmals, dass er einfach kein Glück habe. Dabei lebt er noch und hat eine gute Anstellung. Das ist auch das überraschende an dem Stück: Die Opfer sind ausnahmslos Frauen. Elisabeth und die ausländische Arbeitslose finden keine Anstellung, die Richtergattin wird in der Ehe schlecht behandelt und Irene Prantl muss mit einem verwöhnten, egoistischen Sohn kämpfen. Bei der Richtergattin und Frau Prantl muss aber noch hinzugefügt werden, dass beide selbst sehr egoistisch handeln. Aber selbst die Tatsache, dass nur zwei Frauen als Opfer der Arbeitslosigkeit gezeigt werden, ist schon bemerkenswert. Zumal das Stück 1932 geschrieben wurde und das Augenmerk sicherlich noch nicht auf Frauenproblemen lag. Die beiden arbeitslosen Frauen sorgen auch für die einzige Szenen, in der so etwas wie ein freundschaftlicher Dialog ohne Hintergedanken geführt werden kann. In diesem Stück sind alle Männer von Hintergedanken geleitet, während es zumindest zwei Frauen gibt, die aufrichtig wirken. Diese Tatsache wird allerdings nicht wirklich herausgearbeitet.
Die Inszenierung behält den Jargon des Stückes bei. Das bedeutet in diesem Fall, dass das sie fast nie ausgesprochen wird. So heißt es ständig „wissens“, „meinens“ und „denkens“, was sich in Bremen irgendwie künstlich anhört und auch dafür sorgt, dass der Zuschauer dem Stück eine Weile lang fremd bleibt.
Elisabeths kann bei den Gesetzen und der Arbeitsmarktlage nicht Mensch sein. Das wird in dem Stück ganz gut deutlich. Auch dass es der ausführenden Justiz und Polizei zwar auch nicht gut geht, sie aber an der „Ordnung“ festhalten, wird deutlich. Aber das Stück strengt durch den Jargon, die undeutliche Glaubensthematik und das Ende sehr an. So ist der Ansatz des Stückes gut, die Umsetzung nicht.