Die Klette

Als hätte die SPD zur Zeit nicht schon genügend eigene Probleme, muss ein verpatztes Schiedsgerichtsverfahren jetzt die Partei spalten. Osterfrieden sucht man vergeblich, Sarrazin sorgt wieder einmal dafür, dass sich die SPD nicht selbst lieb hat.

Es gibt Genossen, die nun die SPD verlassen, weil sie nicht mit jemandem wie Sarrazin in einer Partei sein wollen. So etwas findet selbst der sicherlich nicht der SPD nahe-stehende Henryk M. Broder lächerlich. Und tatsächlich ist ein Austritt doch die denkbar schlechteste Reaktion. Denn wenn man nicht möchte, dass die Partei mit Irrlichtern wie Sarrazin verbunden wird, muss man doch gerade jetzt aktiv werden.

Das sehen die Verfasser der „Berliner Petition“ auch so. Sie formulieren es folgendermaßen:

„Von: Aziz Bozkurt aus Berlin

An:   Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) in Deutschland

Viele Menschen in Berlin, in der gesamten Bundesrepublik und auch im Ausland haben kein Verständnis für das Ergebnis und den Verfahrensablauf des Parteiordnungsverfahrens gegen Genossen Dr. Thilo Sarrazin. Nicht nachvollziehbar erscheint vor allem der Zickzackkurs der Partei. Wir entschuldigen uns bei den Menschen, die sich durch diese Haltung verletzt oder enttäuscht fühlen. Wir appellieren an die Genossinnen und Genossen unserer Partei, die sich mit dem Gedanken eines inneren Rückzuges oder gar Austritts tragen: Jetzt gerade nicht! Wir brauchen Euch! Die Partei braucht Euer politisches Rückgrat!

In gemeinsamer Verantwortung für unsere Partei, die Sozialdemokratische Partei Deutschlands, stellen wir fest:

1. Wir sind und bleiben die Partei des sozialen Aufstiegs. Wir geben nicht große Teile der Bevölkerung verloren, sondern ringen um Konzepte für gerechte Teilhabe. Elitärer Dünkel, Ausgrenzung von Gruppen – mit oder ohne Migrationshintergrund –, menschenverachtendes Gerede oder gar rassistischer Habitus haben in unserer Mitte keinen Platz.

2. Wir verteidigen die Meinungsfreiheit aufrecht. Die SPD ist jedoch eine politische Wertevereinigung, die – wie bei jeder anderen Partei – durch ihr Grundwertekorsett einen äußersten Meinungsrahmen vorgibt. „Die gleiche Würde aller Menschen ist Ausgangspunkt und Ziel unserer Politik … und unabhängig von … wirtschaftlicher Nützlichkeit.“ Dieser äußerste Wirkungsrahmen ist nicht verhandelbar.

3. Die politische Verantwortung und der Gestaltungsanspruch der SPD enden nicht an irgendeinem Wahltag. Unsere Grundwerte sind nicht beliebig und stehen nicht zur Disposition Einzelner. Nachdem auf allen Parteiebenen Gremienbeschlüsse zum Parteiordnungsverfahren vorlagen war es politisch angezeigt, diese Gremien vor einer Verfahrensbeendigung ohne Sachentscheidung zu befassen.“

In der Tat bedarf es gerade jetzt großer Anstrengungen vor allem der Integrationspolitiker in der SPD. Die Jusos fordern, dass „wir“ deutlich machen müssen, für welche „Standpunkte die SPD in der Integrationsdebatte wirklich eintritt„. Das bedarf viel Arbeit, vor allem Arbeit an einem glaubwürdigen Konzept, das bisher vielleicht in irgendwelchen Positions- oder Parteitagspapieren schlummert, aber in keinster Weise der Öffentlichkeit angeboten wird.

Allerdings ignorieren sowohl die Petition (so richtig sie in den meisten Punkten auch ist) als auch die mediale Berichterstattung zur Zeit, die Regeln um die eine Schiedskommission aufgebaut ist. In ihrem offenen Brief auf der SPD-Homepage verweist die Generalsekretärin der SPD, Andrea Nahles, darauf, dass es für Schiedverfahren vorgegeben Regeln gibt, die sich aus dem Parteiengesetz ableiten. Und ich muss zugeben: Ich kann inhaltlich zu den zehn Seiten, die man über die Schiedskommission im Parteistatut findet, nichts sagen. Ich weiß auch nicht, inwieweit in ein solches Verfahren noch Regeln aus dem Parteiengesetz reinspielen. Und ich weiß sogar noch nicht einmal, ob die Mitglieder der Schiedskommission irgendwelchen juristischen Sachverstand haben müssen. Daher ist es sehr schade, dass das von den Medien nicht einmal dargestellt wird. Ein informatives Medium hätte den Aufbau einer Schiedskommission vermittelt. Durch die derzeitige Berichterstattung entsteht der Eindruck, Sarrazin hätte auch einfach rausgeschmissen werden können. Ob das stimmt?

Denn der SPD wird jetzt ständig vorgeworfen die Aktion sei Wahlkampftaktik. Das Verfahren sollte die Landtagswahl in Berlin im September nicht belasten. Man kann vieles über die derzeitige Parteispitze sagen. Aber für so blöd halte ich sie dann auch wieder nicht.

Denn erstens verhagelt die Aktion gerade den Bremer Wahlkampf und Bremen nach über 60 Jahren (im Extremfall an die Grünen) zu verlieren wäre weitaus bitterer als Berlin zu verlieren. Und zweitens dürfte auch und vor allem ein Schiedsgerichtsverfahren so zu verzögern sein, dass die Entscheidung erst nach der letzten Wahl in diesem Jahr stattfindet. Hätte man also eine Wahlkampftaktiv versuchen wollen, wäre das die beste Alternative gewesen.

Sarrazin darf in der SPD bleiben. Das muss man wohl erst einmal akzeptieren. Doch es muss dafür gesorgt werden, dass die SPD inhaltlich für eine Linie steht, die mit den in den Medien verbreitetenden Thesen Sarrazins nur wenig zu tun hat. Daher hilft es nicht, die Partei jetzt zu verlassen. Und noch immer ist die Frage, ob Sarrazins Lippenbekenntnis einen Parteitausschluss nicht rechtlich unmöglich gemacht haben. Hier wäre eine Juristen-Meinung mal interessant. Aber diejenigen, die so etwas einholen könnten (s. Internet-Medien) scheinen das bisher noch nicht getan zu haben oder nicht an prominenter Stelle veröffentlicht zu haben.

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