Profillosigkeit akzeptieren?

Der ehemalige Spitzenkandidat der SPD für die Hamburg Wahl und ehemaliger Mitherausgeber der Zeit Michael Naumann ist jetzt schon seit über einem Jahr Chefredakteur des schön gemachten, aber furchtbar konservativen Magazin Cicero. Auf der Homepage des Magazin gibt es die Kategorie „Naumann kommentiert“ und natürlich konnte der vergangene Wahlsonntag nicht unkommentiert bleiben.

Naumann attestiert der SPD in seinem Kommentar, dass sie sich nach dem Wahlsonntag am „meisten Sorgen um ihre Zukunft machen muss“. Interessant ist aber, dass zwar eine Profilschwäche angedeutet wird, es Naumann aber gar nicht um Inhalte geht. Stattdessen sieht er es als Hauptmanko, dass noch nicht klar ist, wer die SPD in den Bundestagswahlkampf 2013 führen soll.

Die SPD müsse sich den „zeitgenössischen Anforderungen eines fast programmfreien Wahlkampfes“ anpassen. Der werde ähnlich ablaufen wie die Wahl in Hamburg, die gezeigt habe, dass Clintons Spruch „It’s the economic, stupid“ immer noch Gültigkeit besitzt. Arbeitsplätze durch eine kluge Wirtschaftspolitik zu sichern, sei eine der wichtigsten Eigenschaften, die man vermitteln müsse. Dafür sei in der SPD am Besten Peer Steinbrück geeignet, der zudem in der Lage sei, „klare Botschaften“ zu versenden.

Hat die SPD den Bundestagswahlkampf 2009 also wegen zu vieler Inhalte verloren? Immerhin war die SPD mit dem „Deutschland-Plan“ die einzige Partei, die ein Konzept neben den (meist ignorierten) Wahlprogrammen vorgelegt hat. Oder lag es einfach an dem Kandidaten? Auch das wäre merkwürdig, schließlich besaß Frank-Walter Steinmeier damals schon sehr viel Vertrauen und wurde auch jüngst wieder als der Politiker gekürt, dem die Deutschen am meisten vertrauen. Denn Frank-Walter Steinmeier gehörte eigentlich zu demselben Themenfeld, in das man auch Steinbrück einordnen kann: Agenda 2010. In beiden Ansatzpunkten greift Naumanns Analyse also nicht wirklich.

Außerdem wäre ein inhaltsleerer Wahlkampf, bei dem es nur um die charistmatischste Führungspersönlichkeit geht, auch gar nicht wünschenswert. Sicherlich kann man nicht davon ausgehen, dass im Wahlkampf scharenweise Wahlprogramme gelesen und verglichen werden. Aber man sollte doch annehmen, dass die politische Bildung in unserem Land weit genug fortgeschritten ist, damit sich die meisten Bürger zumindest grob mit Inhalten auseinandersetzen – wenn diese denn auch gut vertreten werden.

Insofern ist das Bemühen der SPD um ein besseres Profil auf jeden Fall fortzusetzen. Natürlich muss am Ende auch ein passender Kandidat für das Profil gefunden werden. Aber die SPD sollte deutlich machen, dass es in erster Linie um die Inhalte, um die Zukunft des Landes geht und dann um die Person, die das am Besten umsetzen kann. Inhaltslosigkeit beziehungsweise die Konzentration auf gerade einmal ein Politikfeld sollte nicht akzeptiert werden.

Ein Kunststück wäre es aus einem anfänglich „fast programmfreien Wahlkampf“ als die Partei, mit den besten und innovativsten Inhalten und den meisten Stimmen herauszugehen.

Der Artikel wurde ursprünglich für die Homepage des Vorwärts geschrieben.

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