Hü-Hott-Fakten
|Es ist beachtlich, dass Sat.1 sich an eine Politiksendung wagt. Vor einigen Jahren probierte der Sender, seine Nachrichtensendungen komplett abzusetzen, sah sich dann mit dem Verlust seiner Hauptsendeliszenz konfrontiert und bietet jetzt wieder Privatnachrichten an. Vermutlich läuft „Eins gegen Eins“ also in einem der Privatslots, die für Nachrichtensendungen freigegeben werden müssen (wie z.B. auch Spiegel.TV).
Letzten Montag lief die erste Folge des „neuen“ Politiktalks. Aber Sat.1 ist natürlich nicht so einfältig, eine weitere Talkshow, wie sie es in der ARD jetzt von Sonntag bis Donnerstag gibt, zu senden. Zumindest behauptet das der Sender.
Der Titel „Eins gegen Eins“ zeigt schon, worauf man hinaus möchte: Konflikte. Man hole sich also zwei möglichst unterschiedliche Positionen ins Studio und lasse sie gegeneinander antreten. Dabei zählen für den Moderator Claus Strunz „nur die Fakten“. Dementsprechend sollen die Kandidaten unterbrochen werden, wenn sie zu viel „Politikersprech“ reden. Zu Beginn und zum Schluss gibt es, wie in manchen englischen Sendungen üblich, eine Abstimmung des Publikums, damit man nachvollziehen kann, ob die Debatte irgendetwas gebracht hat.
Das Konzept ist also sehr stark auf die Akteure zugeschnitten. Außerdem schwingt eine gehörige Skepsis mit. Schließlich scheinen die Debatten bisher zu „langatmig“, nicht an „Fakten“ orientiert und hörten vor allem nicht auf die Bürger, weswege es einer Abstimmung bedarf. Allerdings ist das Konzept natürlich auch auf die Bedürfnisse eines Privatsenders zugeschnitten. Schnelle Dialoge, ein durch Abstimmungen erzeugter Spannungsbogen und vor allem: einfache Ja- und Nein-Fragen.
Im Vorfeld veröffentlichte Sat.1 Videos von Politikern von Grünen, SPD, CSU und FDP, die den „Wähler“ kritisiert haben. Denn schlechte Politik sei nicht immer nur die Schuld der Politiker, sondern auch der Wähler, die sich nicht beteiligen. Sat.1 schließt daraus, dass es für gute Politik auch gute und interessante Debatten gibt, die man natürlich mit „Eins gegen Eins“ liefert.
Dementsprechend verwunderlich war die erste Frage am vergangenen Montag: „Atom, Lybien: Einmal Hü, einmal Hott: Macht Wählen noch Sinn?“. Die Diskutanten waren Guido Westerwelle („Wählen macht Sinn“) und der Chefredakteur des Handelsblatt Gabor Steingart, der auch Mitglied der Grünen ist und die These vertritt, dass Nichtwählen durchaus eine Aussage ist.
Das Gespräch war ganz gelungen, unterschied sich aber nicht groß von dem „Blub“ der bisherigen Talkshows. Interessanter war es höchstens dadurch, dass weniger Teilnehmer anwesend waren. Dennoch wurde die Runde noch durch die Baden-Württembergische Umweltministerin (CDU) und einen Parteienforscher ergänzt. Das Problem war dabei die ganze Zeit, dass zwar diskutiert wurde, aber nicht über die Frage. Denn auch Steingart war nicht der Ansicht, dass jetzt alle Wähler der Urne fern bleiben sollten, sondern nur, dass die Politik durchaus Gründe liefert, nicht zur Wahl zu gehen und dass man das verstehen sollte. Die beiden „Beispielthemen“ Lybien und Atomkraft waren zwar aktuell, haben mit Parteiverdrossenheit eigentlich wenig zu tun. Denn in beiden Fällen gab es zwar tatsächlich einen Schwenk der Regierungsparteien, aber für Politikverdrossenheit dürften dann doch andere Themen verantwortlich sein.
Dass die Frage nicht unbedingt für die Sendung geeignet war, zeigt auch die Abstimmung. Das Ergebnis 80% fürs Wählen und 20% dagegen, war zu Beginn und zum Ende dasselbe. Hier ging es also um eine Grundsatzfrage, die durch eine etwa halbstündige Diskussion, bei der eine Seite nicht ganz Position ergreift nicht entschieden werden kann.
Allerdings sprach die Seite Quotenmeter von einem Achtungserfolg. Die Analyse der Seite ist, dass das Konzept stimmt, aber die Personenauswahl nicht. Dem sollte man jedoch hinzufügen, dass die Fragen auch anders gestellt sein müssten. Sicherlich ist es als Auftaktveranstaltung vielleicht ganz gut, die (zumindest als Zielgruppe anvisierten) jüngeren Zuschauer zum Nachdenken über das Wählen zu bringen, aber in Zukunft wären tagesaktuelle Fragen, zu denen man auch wirklich mit „Ja“ und „Nein“ und nicht mit „Jein“ antworten kann, sinniger. Außerdem sollten es insofern kontroverse Fragen sein, alsdass nicht noch ein relativ großer Grundkonsens darüber besteht (wie das in falle des Wählen der Fall ist).
Obwohl die Auftaktsendung keinesfalls die „große“ Debatte, die man im „Talk“ noch nie gesehen hat, war, ist es doch begrüßenswert, dass Sat.1 solche Formate zumindest ausprobiert. RTL hat während des Bundestagswahlkampfes sich ja an „Townhallmeetings“ versucht und ist damit quotenmäßig gescheitert. Daher bleibt zu hoffen, dass sich vielleicht im Privatfernsehen auch längerfristig eine politisch-seichte Talkrunde etablieren kann. Und letztendlich stimmt ja ein Teil des Ansatzes: Auf der ARD wird abends viel geredet, aber nicht erreicht.
Die komplette Folge kann man sich hier bei Sat.1 angucken.