Alone in Berlin (von Hans Fallada)

„Alone in Berlin“ beschreibt eine Widerstandsaktion der Familie Quangel während des Nationalsozialismus. Der Roman beginnt damit, dass die Familie über den Tod ihres einzigen Sohnes an der Front informiert wird. Dies ist der Auslöser für eine kritische Haltung gegenüber des Nationalsozialismus.

Otto Quangel ist ein ruhiger, einfacher und vor allem reservierter Vorarbeiter in einer Fabrik. Er ist eher wortkarg und mischt sich in keinerlei fremde Angelegenheiten ein. Im Haus weiß niemand richtig über ihn Bescheid, auch in der Firma kennen ihn alle nur als hartarbeitenden Menschen. Seine Frau gehorcht und vertraut ihm völlig, auch sie hat keinen Kontakt zu anderen Menschen. Otto entwickelt die Idee, Postkarten mit Widerstandsbotschaften zu beschreiben und an häufig besuchten Orten fallen zu lassen. 1940 ist das in Berlin eine lebensgefährliche Tätigkeit…

Fallada schrieb „Jeder stirbt für sich allein“ kurz nach dem Krieg. Kurz nach Vollendung des Manuskript starb auch er. Vor kurzem wurde es erneut ins Englische übersetzt und in den USA und in Großbritannien zu einem großen Hit. Ein deutscher Autor wurde somit über 60 Jahre nach seinem Tod erneut zu einem Bestsellerautor, auf Englisch.

Dabei ist das Buch sperriger, als man es von einem Buch, dass mittlerweile auch in Supermärkten angeboten wird, erwartet. Das Tempo des Buches ist zunächst sehr langsam und steigert sich auch erst gegen Ende. Die ersten beiden Teile des Buches sind kaum am Stück ertragbar. Allerdings spielen die Quangels darin auch keine Hauptrolle. Im ersten Teil reift zwar die Idee, die Postkarten zu verteilen und die erste Postkarte wird auch verteilt, im zweiten Teil kommt das Ehepaar aber kaum vor.

Denn Fallada hat noch ein weiteres Arsenal an Figuren zu bieten. Da ist die Postfrau Kluge, die seit langem von ihrem Mann getrennt lebt. Zu recht, denn der Leser lernt ihren Gatten kennen. Er ist ein alkoholsüchtiger, spielsüchtiger Frauenheld, mit einer völlig verdrehten Wahrnehmung. Zusammen mit seinem „Kumpel“ Borkhausen raubt er nicht nur schamlos Juden aus und nutzt Frauen aus, sondern hält sich dabei auch noch für den ehrlichsten, unschuldigsten, besten Menschen auf Erden, dem ständig Unrecht geschieht. Diese Darstellung einer vollkommen vom rechten Weg abgekommenen Person, ist nur schwer zu etragen. Denn Enno Kluge stößt vor allem im zweiten Teil immer wieder auf Menschen, die ihm helfen und die er mit ins Unglück zieht.

Interessanterweise nimmt sich Fallada auch noch Zeit für die anderen Bewohner des Hauses der Quangels. Es wirkt dabei sehr unrealistisch, dass von vier Mietsparteien, lediglich eine von überzeugten Nazis bewohnt wird. Vielleicht wollte Fallada das nicht wahrhaben, aber 1940 dürfte so ein Haus nicht repräsentativ sein. Andererseits ist keine Wohnung von originalen Widerstandskämpfern bewohnt. Neben den Quangels, die eine leichte Form des Widerstands praktizieren, wohnt noch ein älterer Richter in dem Haus, der hilft wo er kann, aber größten Wert darauf legt, dass niemand es mitbekommt und eine ältere Jüdin. Die Quangels und der Richter stehen so exemplarisch für einen der Gründe, warum Hitler Erfolg haben konnte: Viele Deutsche wollten sich einfach nicht in fremde Angelegenheiten einmischen. Fallada erzählt übrigens den Niedergang des gesamten Mietshauses, auch die Nazi-Famile Persicke wird von unschönen Erlebnissen nicht verschont. Natürlich reicht diese eine Nazi-Familie, um alle Bewohner des Hauses in Angst vor Verfolgung leben zu lassen. Fallada zeigt, dass an den Arbeitsplätzen, im Alltag und überall die Angst vor der Denunzierung an die Nazis permanent akut ist. Die Totalität der nationalsozialistischen Überwachung wird im ganzen Roman sehr authentisch nachgezeichnet.

Außerdem spielt noch die Freundin des gefallenen Sohnes, die in der Fabrik einer Art Widerstandsgruppe angehört, eine Rolle. Auch sie verliert Fallada im Verlauf des Romans nicht aus den Augen. Laut Zeitungsberichten sollte ihre Gruppe zunächst eine kommunistische Widerstandsgruppe sein, was aber von Falladas Verleger rausgekürzt wurde und erst in der deutschen Neuauflage, die vor kurzem erschienen ist, wieder berücksichtigt wurde.

Hinzu kommen noch die Gestapo- und SS-Akteure, die sich auf die Suche nach den Postkartenverrätern machen. Das Tempo zieht an, je enger der Kreis um die Quangels wird. Überraschenderweise ist der Roman dann zwar tragischer und dokumentiert die Grausamkeiten sowohl der nationalsozialistischen Polizeiarbeit als auch der nationalsozialistischen Justiz, aber durch eine stringentere Erzählweise und das höhere Tempo auch etwas leichter zugänglich. Denn ab dem dritten Teil ist der Roman hauptsächlich aus der Perspektive von Inspektoren, der Freundin des Gefallenen oder den Quangels geschrieben und die sind im Gegensatz zu Enno Kruge und Emil Borkhausen zwar einerseits abgestumpft und böse und andererseits in höchster Not, sich dessen aber immer bewusst. Es wird also nicht mehr auf unerträgliche Weise geheuchelt.

Dennoch ist gerade der letzte Teil an Brutalität kaum zu überbieten. Beinahe systematisch werden Gefangene gequält und Fallada gelingt es auf gelungene Weise zu zeigen, dass auch eigentlich unschuldige Bürger, wenn sie erst einmal in das System reingeraten sind, keine Chance haben. Wer in die Fänge der Gestapo kam, hatte also schon verloren.

Bitter abgerundet wird die Geschichte noch dadurch, dass die Gestapo Beweise davon hat, wie erfolgreich die Postkartenaktion denn war. Die Idee dahinter war schließlich, dass die Postkarten gefunden, gelesen und weitergegeben wurden. Es stellt sich aber heraus, dass nur ein verschwindend geringer Prozentsatz nicht sofort bei der Gestapo abgegeben wurde und die nicht abgegebenen Fälle dürften aus Furcht zurückgehalten worden sein. Natürlich werden die Quangels mit dieser Tatsache konfrontiert.

Fallada war wohl nicht ganz mit dem tragischen Ende seines Romans zufrieden und baute zum Schluss noch eine optimistische Szene ein. Einer der Söhne Borkhausens, genauso verkommen und hinterhältig wie sein Vater, flieht während des Romans vor seinem Vater. An ihm zeigt Fallada, dass solche Charaktere nicht ohne Hoffnung auf Änderung durchs Leben gehen müssen.

„Alone in Berlin“ vermittelt das Gefühl ein realistisches Bild der Zivilgesellschaft während der Hauptkriegsjahre nachzuzeichnen. Die hohe Rate an das Regime ablehnenden Menschen ist das einzige Element, das diese Darstellungsweise etwas unglaubwürdig machen lässt. Andererseits zeigt es auch, dass zwar Widerstandspotential gegen das Regime vorhanden war, aber nicht genutzt werden konnte. Fallada gelingt es zwei Halunken im ersten und zweiten Teil erschreckend glaubhaft zu skizzieren. Der Roman steuert natürlich auf ein tragisches Ende zu und verdeutlicht somit, dass das Nazi-Regime allen Menschen Unglück gebracht hat. Den Anständigen, weil es sie zum (beinahe nutzlosen) Widerstand gezwungen hat, den Unanständigen, weil es ihnen nicht gelingt, sich im System einzurichten und natürlich den Mitläufern und Tätern, die zwar zu monströsen Taten fähig sind, aber bekannterweise auf Dauer nicht zu den Siegern gehören werden.

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