Unterm Strich (von Peer Steinbrück)

„Eine gute Grundlage ist das Fundament für eine solide Basis“, mit diesem Satz beschreibt Steinbrück den Kernpunkt einer typischen, politischen Sonntagsrede. Damit ist der Satz der lustigste in dem ganzen Buch.

Denn ansonsten hat man bei Peer Steinbrück nicht viel zu lachen. Ökonomische Ausgangslagen, Finanzkrise, Sozialstaat, Politikverdrossenheit, Mediendemokratie und zuletzt die Sozialdemokratie sind seine Themen. Dabei schreibt Peer Steinbrück gewohnt knackig und offen heraus. Das bedeutet aber auch, dass er vor allem auf Probleme hinweist. Nach der Lektüre von „Unterm Strich“ weiß man: Es gibt viele Probleme. Umso merkwürdiger wirkt es in der Situation, dass sich unsere Bundesregierung bisher eher um längere Atomlaufzeiten gekümmert hat, als um Reaktionen auf die Finanzkirse.

Vielleicht kommt das Buch etwas zu früh. Es ist im Sommer 2010 erschienen und wagt einige Rückblicke auf die Finanzkrise und einige Ausblicke auf die Euro-Situation. Vieles davon ist ja teilweise schon überholt. 2010 war ein Jahr mit enorm hohem Wirtschaftswachstum und nach Griechenland hatte auch noch Irland Probleme. Beides konnte Peer Steinbrück nicht vorraussehen. Außerdem wirkt die erste Hälfte, die sich mit Ökonomie und Finanzkrise beschäftigt immer auch ein wenig wie Selbstinszenierung, weil Steinbrück immer mal wieder von seinen persönlichen Erfahrungen in dieser Zeit erzählt.

Andererseits hat man hier eine Beschreibung, von einem Politiker, der alles live miterlebt hat. Die „To-Do-Liste“ Steinbrücks für die jetzt notwendigen Maßnahmen, ist ebenfalls gelungen. Er hat sie zwar schon einmal auf einer Fachtagung zur „Finanzmarkttransaktionssteuer“ der SPD vorgetragen, aber im Abstand von einem halben Jahr kann man jetzt ganz gut abschätzen, was davon umgesetzt wurde, was in Planung ist und was nicht kommen wird. Denn Schäuble behauptet zwar, dass es eine „Finanzmarktabgabe“ geben wird, um im Sparpaket nicht nur Fürsorgeempfänger zu belasten, doch mit der FDP dürfte das schwer zu machen sein.

Auch in seinen anderen Kapiteln empfielt Steinbrück zum Schluss immer Maßnahmen. In der zweiten Hälfte, die Themen behandelt, die eigentlich nicht Steinbrücks früherem Job als Finanzminister entsprechen, wird das Buch zunehmend spannender. Hier ist es nämlich nicht mehr so, dass die Entwicklung bereits zu weit vorangeschritten ist. Stattdessen beschreibt Steinbrück unter anderem wie Sozialdemokraten den Sozialstaat langfristig stabilisieren könnten. Dabei geht er vor allem auf Vorsorge statt Fürsorge ein, ein Prinzip, dass Hannelore Kraft ja gerade mit einer Milliarde Euro in NRW versucht. Die Idee: Probleme nicht erst zu behandeln, wenn sie auftreten, sondern in Kindergärten, Haupt- und Realschulen dafür zu sorgen, dass schon frühzeitig mögliche Probleme erkannt und bearbeitet werden können.

Gelungen sind auch Steinbrücks Anmerkungen zur Mediendemokratie, die viele Politiker einfach nur noch vor sich hertreibt. In Zeiten, in denen Gegenkandidaten auf Parteitagen Seltenheiten sind und gewählte Parteivertreter mindestens 90% erhalten müssen, sind Steinbrücks Worte gut und richtig. Auch seine Überlegungen zu Politikern (siehe einleitendes Zitat) sind nicht schlecht.

„Unterm Strich“ enthält viele wahre Worte. Es ist durchzogen von einem eher pessimistischen Ton, der auf viele anstehende Probleme hinweist. Steinbrücks Stil ist manchmal etwas trocken, vor allem die langen Passagen über die Finanzkrise und deren Ablauf könnte man beinahe auf das Lösungsprogramm reduzieren und dieses noch etwas ausweiten und konkretisieren. Die zweite Hälfte des Buches ist aber richtig gut. Man findet sicherlich nicht alles toll, was Steinbrück vorschlägt, aber man denkt immerhin darüber nach, dass Veränderungsdruck besteht beziehungsweise bestehen müsste. Nach dem Buch bedauert man, dass Deutschland eine Regierung hat, die dank ideologischer Scheuklappen der FDP nicht in der Lage zu sein scheint, die kommenden Probleme zu lösen und eine Opposition hat, die nicht die Kraft dazu hat, auf diese Probleme hinzuweisen.

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