Staatsfeind Wikileaks (von Marcel Rosenbach und Holger Stark)

„Staatsfeind Wikileaks“ erzählt die Geschichte der Internetplattform, die vor allem im letzten Jahr mit medienträchtigen Enthüllungen auf sich aufmerksam gemacht hat. Dabei konzentriert sich das Buch in erster Linie auf die Person Julian Assange. Das geben die Autoren zu Beginn auch offen zu, indem sie feststellen, dass sich Wikileaks nicht von der Person Assanges trennen lässt.

Insofern ist das Buch in erster Linie eine Nacherzählung der Wikileaks-Geschehnisse von zwei Journalisten. Und das ist das Problem, denn das die beiden Spiegel-Journalisten nun einmal einen typischen Journalistischen Ton und Stil einschlagen, hätte eigentlich nicht verwundern dürfen, stört aber trotzdem.

Wie für den Spiegel in den letzten Jahren typisch, konzentrieren sich die Autoren in erster Linie auf Beziehungen zwischen Personen, anstatt auf das Thema. Wenn man davon ausgeht, dass Wikileaks komplett mit einem der Gründer verschweist ist, sicherlich kein falscher Ansatz. Aber die ständigen Beschreibungen von Netzaktivisten, die ein Vorbild für Assange waren und von denen er dann zumeist enttäuscht wird, ist doch ermüdend.

Spannend und interessant wird das Buch bei der Beschreibung der „Quelle“ für die Afghanistan-, Irak- und Diplomaten-„Leaks“. Die wurde nämlich enttarnt. Die Enttarnung hat man in den Medien kaum mitbekommen, hier wird sie ausführlich geschildert.

Rosenbach und Stark bemühen sich darum, einen objektiven Eindruck zu vermitteln. Und das nervt. Nur in einem Nebensatz in einem späteren Kapitel weisen sie darauf hin, dass Unterstützer der gefangenen Quelle Assange beschuldigen, nicht genug für deren Verteidigung zu tun. Und in der Tat: In den Medien liest man nur etwas über Assange, nicht aber über die verhaftete Quelle, die in einem amerikanischen Militärgefängnis schmort. Wenn man schon versucht, Assange objektiv irgendwelche negativen Seiten durch „Zitate“ von Bekannten anzuschreiben, sollte man dann doch auch einmal Stellung zu solchen Vorgängen nehmen.

Wirklich ätzend wird die Beschreibung in dem Moment, in dem der Spiegel selbst mit ins Spiel kommt. Diese Passage wirkt nicht nur wie Selbstbeweihräucherung, sondern ist auch relativ uninteressant. Schon vorher wird deutlich gemacht, dass Wikileaks das Material ohne journalistisches Zutun nicht hätte bearbeiten können. Die Zickenkriege zwischen den Zeitungen und die Patzer, die sich die Zeitungen erlauben, sind wirklich überflüssig.

Bedauerlich ist auch, dass es nur ein einordnendes Kapitel gibt, das Letzte. Darin schwadronieren die Autoren darüber, dass Wikileaks etwas einzigartiges ist, aber wie schon vorherige Entwicklungen nie den gedruckten Journalismus ersetzen wird. Obwohl dieses Kapitel das Beste des Buches ist, weil es sich auch mal mit den Auswirkungen Wikileaks beschäftigt, bleibt es doch wenig konkret und bleibt phrasenhaft.

Wikileaks kann auch deswegen kritisch gesehen werden, weil es dadurch bekannt geworden ist, dass Menschenrechtsverletzungen und Fehltritte in Demokratien angeprangert wurden und nicht in Entwicklungs- und Schwellenländer, wo so etwas viel heftiger auftritt. In der Zeit wurde mal erwähnt, dass das nur logisch sei, schließlich gäbe es in Demokratien viel mehr Möglichkeiten an „geheime“ Dokumente zu kommen, als in repressiven Staaten.
Das Buch sagt – vermutlich zu recht – dass das so nicht stimmt und Wikileaks auch schon geheime Dokumente aus Entwicklungsländern veröffentlicht hat. Das Problem sei immer nur gewesen, dass die Medien sich dafür nicht interessiert hätten.
Und an dem Punkt hören sie auf zu argumentieren. Stattdessen hätte man sich da mal fragen können, warum die Medien Menschenrechtsverletzungen in Dritt-Welt-Ländern ignorieren, aber wenn Andrea Nahles beim amerikanischen Botschafter eine abfällige Bemerkung über Steinmeiers Eigenschaft als Kanzlerkandidat macht, das nicht nur eine große Überschrift bei Spiegel Online wert ist, sondern auch eine erneute Erwähnung in dem Buch. Hier wäre etwas Selbstkritik angebracht.

„Staatsfeind Wikileaks“ ist nur eine empfehlenswerte Lektüre, wenn man das letzte Jahr die Wikileaks Berichterstattung ignoriert hat. Ansonsten liefert es ein paar Informationen über den Aufbau der Organisation, viel zu viel Assange-Gossip, die „spannende Story der heldenhaften Spiegel-Autoren“ und ein passables letztes Kapitel. Das liest sich nett, wie eine Spiegel-Reportage: Viel konstruierter Beziehungskram, wenig Substanz.

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