The Corrections (von Jonathan Franzen)
|Alfred Lambert war jahrelang bei einer Eisenbahngesellschaft angestellt, hat kurz vor dem Pensionsalter gekündigt und mittlerweile arge Parkinson- und Alzheimer-Beschwerden.
Enid Lambert ist mit ihrem Leben überhaupt nicht zufrieden. Sie fühlt sich von ihrem Mann Alfred eingeengt und ihrer Möglichkeiten beraubt. Sie hat das Gefühl alle ihre Freunde im kleinen Städtchen St. Jude haben – gerade im Zuge des dotcom-Booms ein Vermögen gemacht und nur sie ist arm, weil Alfred „konservativ“ anlegt.
Chip Lambert, der jüngere Sohn der Lamberts, hat gerade seinen Job als Dozent an einer Universität verloren, da er mit einer Frau geschlafen hat und steht vor dem nichts.
Denise Lambert, die einzige Tochter, führt ein erfolgreiches Restaurant, arbeitet sich aber täglich 15 Stunden lang zu Tode.
Gary Lambert ist das einzige Kind, das dem Vorbild der Eltern gefolgt ist und schnell einen „soliden“ Job angenommen und eine „richtige“ Familie gegründet hat.
„The Corrections“ ist ein Buch, das sich nur um die Charaktere dreht und einzig und allein von ihnen lebt. Franzen gelingt es auf den über 600 Seiten allerdings auch, die Charaktere auf wunderbare Art und Weise zum leben zu erwecken.
Alfred glaubt, er stirbt bald und Enid möchte, dass die gesamte Familie noch einmal zu Weihnachten zusammen kommt. Das gestaltet sich als sehr schwierig, denn jedes der Familienmitglieder scheitert gerade an seinem Lebensentwurf.
Der Aufbau des Romans ist daher schnell vorhersehbar. Nachdem sich die Einleitung auf Chip konzentriert, geht die Handlung dann auf Gary, die Eltern, Denise und letztendlich wieder auf Chip ein. Erst zum Schluss führen dann die Handlungsstränge der einzelnen Familienmitglieder zusammen.
Dabei könnte jeder Teil für sich einen kleinen Roman bilden. Denn mit jedem Charakter ist eine kleine Tragödie verbunden, die in der familiären Struktur und den Wertvorstellungen der Lamberts liegt.
Besonders eindrucksvoll sind die Teile mit Gary und Enid. In beiden Teil hat man das Gefühl, die Gefühlswelt eines klinisch depressiven Menschen und die Gefühlswelt einer gerade medikamentensüchtig werdenden Frau nicht nur zu erleben, sondern auch nachvollziehen zu können. Gerade die Beschreibungen, in denen Gary das Gefühl hat, sich in seinem eigenen Haus von Feinden umgeben zu fühlen, sind besonders gelungen.
Der wirklich gut beginnende Chip-Teil ist der einzige, der zum Schluss etwas wirr ist. Franzen nutzt diesen Part, um etwas Absurdität in den Roman zu bringen. Denn Chip entscheidet sich im Dot-Com-Wahn nach Litauen zu gehen, um dort für einen angehenden Gangsterboss über das Internet amerikanische Investoren für nicht existierende Projekte anzulocken. Diese Geschichte ist zwar spannend, aber beinahe etwas zu viel des Guten.
Erst zum Ende werden „die Korrekturen“ des Titels dann Programm. Die meisten Familienmitglieder lösen sich von alten, konservativen amerikanischen Wertvorstellungen oder von den Erwartungen der Familie. Außerdem kristallisieren sich im Laufe des Romans viele Missverständnisse zwischen den Lamberts heraus. Dieser „Korrekturen“-Part zum Schluss kann zwar nicht erreicht werden, ohne dass ein Mitglied stirbt, stellt aber zugleich auch ein respektables Happy-End dafür da, dass zuvor in erster Linie Fehltritte dargestellt wurden.
Besonders ist an dem Buch auch das Verhältnis zwischen Eltern und Kindern. Während großer Strecken des Buches ist man in einer Zwickmühle. Die Gedankenwelt Enid Lamberts ist in sich durchaus schlüssig, sodass man ihr ihre Wünsche durchaus gönnt. Aber aus der Sicht der Kinder weiß man genau, dass die Frau eigentlich unerträglich ist. Daher ist es zum Schluss schön mitanzusehen, wie sich das Verhältnis zwischen den Generationen ohne große Dialoge, lediglich durch subtile Gesten verbessert.
Auf dem Blog von dem ich das Bild des Buches habe, schreibt ‚matthew‘, dass die Charaktere so gut ausgearbeitet sind, dass er sich auch drei Jahre nach der Lektüre noch gut an die Charaktere und vor allem deren Hoffnungen und Fehltritte erinnern kann. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass es dank der einfühlsamen, realistischen Darstellungsweise vielen Lesern so geht.