Die letzte Flut (von Stephen Baxter)
|Und der Meeresspiegel hört nicht auf zu steigen. Kurz darauf macht Lilly mit einer bekannten Klimaforscherin die Entdeckung, dass es unter den Weltmeeren noch ein zweites Meer gab, dass nun anfängt an die Oberfläche zu treten. Unaufhaltbar steigt der Meeresspiegel und reißt immer mehr bewohnbare Abschnitte mit sich. Der Leser verfolgt meistens Lilly, manchmal aber auch andere Geiseln bei ihrem Versuch, in der feindlich gewordenen Umwelt zu überleben.
Dabei sind die Hauptfiguren allesamt stereotyp, eine Charakterentwicklung findet überhaupt nicht statt. Die Moral ist das erste, dessen sich Baxter entledigt. Schon kurz nach der Überschwemmung Londons hört er auf, danach zu fragen, was mit armen Menschen passiert und was mit reichen. Die Antwort liegt nämlich auf der Hand.
Baxter versucht auch nicht Sympathie für die Toten aufzubauen. So sterben in dem Roman mal eben circa sechs Milliarden Menschen, ohne dass einem das wirklich bewusst wird, denn keine einzige Hauptfigur stirbt durch das Wasser, die meisten bringen sich in Kämpfen um. Sowieso schildert Baxter in dem ganzen Roman keinen einzigen Tod durch Ertrinken, was bei 750 Seiten Wasseranstieg schon eine Leistung ist.
Glücklicherweise werden Lilly und ihre Mitexgeiseln von dem reichsten Menschen der Welt beschützt und in „Project City“ verfrachtet. Das ist eine Modell-Stadt, die der Super-Reiche in den Anden aufbaut. Nachdem sie überschwemmt ist, rettet man sich auf eine Arche und letztendlich fängt die Menschheit an, auf Flößen zu leben.
Obwohl keinerlei Charakterentwicklung geschieht, ist der Roman spannend geschrieben. Dank Baxters Schreibstil liest man ihn gerne und schnell bis zum Schluss durch. Und das ist ein kleines Wunder. Denn der Inhalt ist eigentlich eine Katastrophe.
Denn nach der Feststellung, dass sich der tiefergelegene Ozean geöffnet hat (wie das geschieht, wird nicht erklärt), hört der Roman auf in dieser Hinsicht Fragen zu stellen. Das Wasser steigt einfach. So ist die letzte Szene dann, dass ein paar vereinzelte Flöße um den Mount Everrist paddeln und ein paar, der sehr wenig verbliebenen Menschen beobachten, wie die letzte Stelle Land, langsam untergeht.
Zwischendurch gibt es einen Hinweis auf „die erste Arche“, die allerdings wohl kein Schiff ist, sondern ein Raumschiff. Davon handelt die Fortsetzung und es gibt daher enttäuschend wenig Informationen über das Projekt. Sowieso fehlt dem Roman ein Höhepunkt am Ende. Die Arche des Superreichen geht unter, danach wird in Zeitraffer beschrieben, wie man ein paar Jahre auf Flößen lebt, zum Schluss geht der Mount Everrist unter und das Buch endet.
So bleibt die Frage, was Baxter einem mit dem Roman erzählen wollte. Wollte er einfach nur beschreiben, wie die Erde unter mehr als 8 000 Meter Wasser verschwindet? Wollte er zeigen, dass bei einer Katastrophe zunächst die armen Menschen dran glauben müssen? Hinzu kommt, dass die Floßgemeinschaften kaum erklärt werden. Es gibt zwar einen neuen Algenstoff, der sich furchtbar gut für Flöße eignet, aber wie so ein Floß mehrere hundert Meter hohe Wellen überstehen soll, die es nun ständig gibt, ist unklar.
„Die letzte Flut“ ist – zugegeben – eine faszinierende Beschreibung einer untergehenden Welt. Das liegt aber allein an der spannenden Schreibweise des Autors, der einem „Nichts“ ziemlich spannend verkaufen kann. Denn die Charaktere bleiben stereotyp und die Story ist, wenn denn vorhanden extrem dünn bis unsinnig. Moral und überraschenderweise auch der Tod werden meistens ausgeblendet. Nie hat ein Charakter wirklich Angst um sein Lebne. So ist „Die letzte Flut“ eine kurzweilige Weltenzerstörung, die für die irre Idee, dass das Meer einfach immer weiter anschwillt, recht heiter daherkommt. Ob man dafür 750 Seiten lesen möchte oder gar dieses Buch kaufen will, ist wohl eher anzuzweifeln.