Auf dem Weg zur Bild
|Händler im Ehec Stress: „Ich werde wie ein Mörder behandelt, weil ich Gurken verkaufe“.So macht „Spiegel Online“ zur Zeit Überschriften.
Erinnert sich noch jemand an das „Bild – Die Brandstifter“-Titelbild des Spiegels? Damals beschäftigte man sich in der Prinzausgabe im typisch ausführlichen Spiegelstil mit der Niveaulosigkeit der „Bild“-Zeitung. Unglücklicherweise fragt man sich immer mehr, ob das denn überhaupt berechtigt ist.
Der Hochzeit von William und Kate widmete das Magazin das Titelbild, in der Hoffnung damit Hochzeitsbegeisterte am Kiosk zu cashen. Das Heft ging als schlechtverkauftestes seit langer Zeit in die Magazin-Geschichte ein. „Spiegel Online“, führendes Internetmedium Deutschlands, versucht verständlicherweise nicht, den Umfang von Spiegel Artikeln ins Internetz zu übertragen. Das Internet ist viel zu schnelllebig, als dass das funktionieren könnte.
Die Bemühungen, immerhin vernünftige, anspruchsvolle Artikel zu produzieren, kommen jedoch ebenfalls nur noch selten zu Tage.
In der Ehec-Krise findet man sogar Überschriften, die man ohne weiteres auch in der „Bild“ verwenden könnte. Sicherlich, der Artikel ist in einem anderem Stil geschrieben. Nur: Das Zitat, dass in der Überschrift verwendet wird, hört sich im Artikel ganz anders an. Die Satzstellung für die Überschrift zu verändern und bestimmte Wörter wegzulassen, passt nicht zu dem Anspruch, den der Spiegel eigentlich hat.
Wobei man sich auch fragen muss, was eigentlich schlimmer ist: Haarsträubende Überschriften oder seriös wirkende Artikel ohne Substanz?
Von der Sorte findet man in letzter Zeit auch regelmäßig Beispiel. Der jüngste Fall ist ein Bericht, über die meckelnburg-vorpommerische Sozialministerin Schwesig, die „nun unter Druck“ gerät. Darin werden blind Zitate fast aller Parteien in Mecklenburg-Vorpommern aneinandergereit. Immerhin hat man die Nazis weggelassen.
Es wird kritisiert, dass sich Schwesig mehr auf die PR-Arbeit konzentriere, anstatt auf die inhaltliche Arbeit. Der Artikel ist völlig vorhersehbar: Linke, CDU und FDP kritisieren, die SPD verteidigt. Der Artikel bringt nichts eigenes ein. Das klingt erst einmal normal, handelt es sich doch nicht um einen Kommentar. Andererseits kann man Informationen auch neutral verpacken.
Denn vom Artikel werden drei PR-Situationen beschrieben. Von der FDP werden zwei Gesetze erwähnt, auf die man wartet. Es wird aber nicht erwähnt, was Schwesig bereits geleistet hat. Vermutlich weiß der Spiegel-Redakteur, sollte er nicht aus dem Bundesland kommen, das selbst nicht. Schließlich fiel Schwesig bundespolitisch bisher lediglich dadurch auf, dass sie Verhütungsmittel kostenlos an ALG-II-Empfänger austeilte. Ein Prinzip, das ersteinmal merkwürdig klingt, jedoch Sinn macht, wenn man bedenkt, dass den Betroffenen gerade einmal 15€ im Monat für die eigene Gesundheit zur Verfügung stehen. Davon würden Verhütungsmittel schon einen großen Teil einnehmen und die Entscheidung, ob man Kinder haben will oder nicht, gehört zur Selbstbestimmung schließlich auch hinzu.
Der Artikel konzentriert sich aber allein auf die Aussagen der oppositionellen Parteien sowie auf zwei verteidigende SPD-Reaktionen. Eine schwache Leistung. Zumal Selbstdarstellung zur Politik mittlerweile dazugehört. Guttenberg wurde vom Spiegel dafür noch in den höchsten Himmel gelobt. Hat die Redaktion daraus jetzt gelernt? Oder brauchte man einfach etwas, um die Seite zu füllen?
Denn es ist kein Wunder, dass die Opposition und der kleine Koalitionspartner in Mecklenburg-Vorpommern alles daran setzen, die Sozialministerin zu diskreditieren. Sie ist neben dem Ministerpräsidenten das bekannteste und beliebteste Politiker-Gesicht des Bundeslandes. Sie kurz vor der Wahl zu schwächen, ist eine der besten Chancen für den Erfolg. Aber von solchen Überlegegungen, ist der Artikel weit entfernt. Wie so oft, werden einfach Zitate zu einem hoffentlich populären Thema genommen und aneinander geklatscht. Jetzt muss das ganze nur noch einen hetzerischen Ton erhalten und man ist ganz nah an den verurteilten „Brandstiftern“.